BGH: Voraussetzungen des großen Schadensersatzanspruchs

 

Der BGH hat sich erneut mit den Voraussetzungen des großen Schadensersatzanspruches befasst.

 

Sachverhalt:

Es ging vorliegend um eine Ausschreibung zum Straßenbau. Nach Versendung der Informationsschreiben nach § 134 GWB, nach denen der Kläger den Zuschlag erhalten sollte, wurde des Verfahren von der Vergabestelle aufgehoben und mit Änderungen an der Leistungsbeschreibung letztlich in einem Folgeverfahren an einen anderen Bieter vergeben. Zum Schadensersatzanspruch des ursprünglichen Bestbieters auf das positive Interesse äußert sich der BGH wie folgt:

 

Beschluss:

„… Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch des Bieters setzt (auch bei Fehlen eines Aufhebungsgrunds im Sinne von § 17 Abs.1 VOB/A) voraus, dass ihm bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen und der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag an einen Dritten vergeben worden ist (…). Für die Beurteilung dieser Frage ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, wonach die ausgeschriebenen und die tatsächlich in Auftrag gegebenen Leistungen zu vergleichen sind (…). Bestehen zu dem erteilten Auftrag erhebliche Unterschiede, kommt grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des entgangenen Gewinns nicht Betracht, weil der ausgeschriebene Auftrag nicht zur Ausführung gelangt ist (…). Etwas Anderes gilt nur, wenn der übergangene Bieter auf Besonderheiten verweisen kann, die den Auftraggeber hätten veranlassen müssen, ihm den geänderten Auftrag zu erteilen (…). Hat die spätere Vergabe bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung dagegen den gleichen Auftrag zum Gegenstand, muss der später erteilte Zuschlag im Hinblick auf die Ersatzpflicht des Ausschreibenden einem Zuschlag auf die erste Ausschreibung gleichgesetzt werden.“…

 

Praxistipp:

Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung des BGH zum großen Schadensersatzanspruch. Dieser wird regelmäßig von unterlegenen Bietern angestrebt, da er den entgangenen Gewinn umfasst. Das negative Interesse (= kleiner Schadensersatzanspruch) ersetzt hingegen lediglich die getätigten Aufwendungen. Die Anforderungen an das Vorliegen eines großen Schadensersatzanspruches bleiben hoch: Auch wenn ein Aufhebungsgrund (im vorgelegten Fall nach § 17 Abs. 1 VOB/A) nicht vorliegt, müssen kumulativ zwei Voraussetzungen geben sein:

  • Bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens hätte dem unterlegenen Bieter der Zuschlag erteilt werden müssen und
  • der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag muss an einen Dritten vergeben worden sein.

Wann ein wirtschaftlich dem Ursprungsauftrag gleichzusetzender Auftrag vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Wesentliche Änderungen des Auftragsgegenstandes im Nachfolgeverfahren können aus Sicht einer Vergabestelle einen großen Schadensersatzanspruch verhindern.

 

BGH, Urteil vom 3.7.2020 - VII ZR 144/19

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