EuGH: Auch ein privatrechtlich organisierter Sportverein kann öffentlicher Auftraggeber sein!‎


Die geforderte „im Allgemeininteresse liegende Aufgabe“ kann auch der Fußballclub e.V. sein.

Sachverhalt:
Streitbefangen ist die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber des italienischen Fußballverbands (FIGC), eines privatrechtlichen Vereins.

Urteil:
Der EuGH hält fest, dass privatrechtliche Sportverbände öffentliche Auftraggeber sein können. Der EuGH prüft zunächst das Vorliegen einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe. Entsprechend des Anhangs zur früheren Vergaberichtlinie bejaht der EuGH, dass es sich beim Sport um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe handelt. Ob die Tätigkeiten wie die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele auch nichtgewerblicher Art sind, überlässt der EuGH der Prüfung der nationalen Gerichte. Dass der FIGC neben der im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe weitere nicht im Allgemeininteresse liegende Aufgaben wahrnimmt, steht nach überkommener Rechtsprechung der Auftraggeber-Eigenschaft jedenfalls nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn diese anderen Tätigkeiten einen Großteil seiner gesamten Tätigkeiten bilden und eigenfinanziert sind. Selbst wenn die im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeiten nur einen relativ geringen Anteil haben, steht dies der Anwendung des Vergaberechts nicht entgegen. Weiter steht auch die privatrechtliche Konstituierung des FIGC der Auftraggeber-Eigenschaft nicht entgegen − anders als die Richtlinie ("Einrichtungen des öffentlichen Rechts") nennt § 99 Nr. 2 GWB ausdrücklich auch juristische Personen des privaten Rechts. Insoweit kommt es allein auf eine funktionelle und nicht eine an der Rechtsform orientierte formale Betrachtung an.

Praxistipp:
Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 a Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass bei einer Einrichtung, die mit im nationalen Recht abschließend festgelegten öffentlichen Aufgaben betraut ist, auch dann angenommen werden kann, dass sie im Sinne dieser Bestimmung zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn sie nicht in der Form einer öffentlichen Verwaltungsstelle, sondern in der Form eines privatrechtlichen Vereins gegründet wurde und bestimmte ihrer Tätigkeiten, hinsichtlich derer sie über Eigenfinanzierungskapazität verfügt, keinen öffentlichen Charakter haben. Der EuGH bekräftigt seine bisherige Rechtsprechung zu den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben. Ausdrücklich führt er nunmehr auch den Sport als solche an. Häufig wird es bei Sportverbänden jedoch am Kriterium der besonderen Staatsnähe fehlen. Bei geförderten Baumaßnahmen im Sportbereich bleibt aber stets die Anwendbarkeit des Vergaberechts nach § 99 Nr. 4 GWB zu bedenken, der in der Praxis häufig übersehen wird.

EuGH, Urteil vom 03.02.2021 (Az. Rs. C-155/19)

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