OLG Düsseldorf: Nachprüfungsverfahren: Liegt Antragsbefugnis vor?‎


27.02.2020: Ein Nachprüfungsbegehren, das gestützt auf einen der Unwirksamkeitsgründe des § 135 Abs. 1 GWB nur auf die Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertragsschlusses gerichtet ist, mit dem aber keine sonstigen Verstöße gegen Vergabevorschriften geltend gemacht werden und mit dem damit nicht um einen über die Unwirksamkeitsfeststellung hinausgehenden Primärrechtsschutz nachgesucht wird, ist wegen fehlender Antragsbefugnis unzulässig.

Sachverhalt:
Der öffentliche Auftraggeber, ein Universitätsklinikum, machte am 30.09.2017 im Supplement zum Amtsblatt der EU einen als Lieferauftrag bezeichneten Auftrag bekannt. Gegenstand war die Lieferung und der Aufbau eines Sterilisators mit einem Kammervolumen von 9 Sterilgut-Einheiten. Der Laborsterilisator war für einen Neubau des Zentrums für Synthetische Lebenswissenschaften vorgesehen. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Bieter B unterbreitete mit Angebotsschreiben vom 14.11.2017 ein Angebot zu einem Bruttopreis von [...] EUR. Nach dem Ergebnis des Öffnungstermins vom 15.11.2017 lag das Angebot auf Platz zwei. Am 26.03.2018 versendete B ein Schreiben an die Vergabestelle so wie auch an die Vergabekammer Rheinland mit dem Inhalt:"[...] hiermit legen wir vorsorglich Widerspruch ein, sollte die Vergabeentscheidung zu o.g. Ausschreibung zugunsten der Firma N. GmbH D. fallen.

Begründung: Ausschreibungskriterium für die Abfallprogramme war, dass diese in der Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel- und verfahren unter der Ziffer 3.4.3.3 fraktionierte Vakuumverfahren entsprechen. Die von der Firma N. GmbH vertriebenen Autoklaven sind nicht in der Liste der vom Robert Koch-Institut gelisteten Desinfektionsmittel- und Verfahren aufgeführt. Damit ist das Angebot von der Wertung auszuschließen. [...]" Die Vergabestelle führt daraufhin mit Bieter A ein Aufklärungsgespräch. Am 28.05.2018 erteilte sie den Zuschlag an A. Den Vertragsschluss machte die Vergabestelle am 31.05.2018 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union bekannt. Hiergegen wendet sich B mit seinem Nachprüfungsantrag.

Beschluss:
Ohne Erfolg. B fehlt für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags nach § 160 Abs. 1 i. V. m. § 135 GWB die von § 160 Abs. 2 GWB geforderte Antragsbefugnis. Gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB ist nur das Unternehmen antragsbefugt, das mit seinem Nachprüfungsantrag eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Im Fall eines Nachprüfungsantrags nach § 160 Abs. 1 i. V. m. § 135 GWB muss sich diese Geltendmachung auf mindestens zwei Vergaberechtsverstöße beziehen, zum einen auf einen der Verstöße, die in § 135 Abs. 1 GWB genannt sind und den Weg in den Primärrechtsschutz eröffnen und zum anderen auf sonstige Vergaberechtsverstöße. Erst diese Letzteren, nicht aber allein die in § 135 Abs. 1GWB genannten Verstöße können zu einer Beeinträchtigung von Zuschlagschancen führen und damit einen zumindest drohenden Schaden im Sinne von § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB begründen, den das antragstellende Unternehmen darlegen muss. Der § 135 Abs. 1 GWB sieht vor, dass ein Bieter einen erteilten Zuschlag grundsätzlich nur angreifen kann, wenn dieser zu einem schwebend unwirksamen Vertrag geführt hat. Dies ist der Fall, wenn der Auftraggeber gegen seine Vorabinformationspflicht verstoßen oder den Auftrag rechtswidrig ohne vorherige Bekanntmachung veröffentlicht hat. Mit seiner Entscheidung engt das OLG Düsseldorf die Nachprüfungsmöglichkeit weiter ein: Der Bieter habe seine Antragsbefugnis nur nachgewiesen, wenn er neben dem Verstoß gegen die Vorabinformations- oder die Bekanntmachungspflicht weitere Verstöße gegen Vergaberecht darlege.

Praxistipp:
Die Entscheidung setzt sehr strenge Anforderungen. Ob andere Gerichte der engen Auslegung des OLG Düsseldorf folgen, oder einen Verstoß gegen § 135 als ausreichend für die Antragsbefugnis erachten, bleibt abzuwarten.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom Datum 11.12.2019 (Az.: Verg 53/18)
 

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