OLG Frankfurt: Bieterfrage lässt falsche Vorstellung erkennen: Öffentlicher Auftraggeber muss "deutliche" Antwort geben


Bestärkt der öAG durch seine Antwort eine Fehleinschätzung, kann dies zu einer Diskriminierung führen, wenn ein Angebot auf der Grundlage dieser Fehlvorstellung kalkuliert wird.

Sachverhalt:
Ausgeschrieben war in einem offenen Verfahren ein Dienstleistungsauftrag. Beim Preiskriterium wurde u. a. nach dem Stundenverrechnungssatz für einen Objektleiter gefragt. Bieter A stellt dazu die Frage, ob "hier der Tariflohn oder der Tariflohn inklusive der gesetzlichen und notwendigen Lohnnebenkosten einzutragen" sei. Die Antwort lautete: "der Tariflohn inklusive der gesetzlichen und notwendigen Lohnnebenkosten". Die Antwort teilte der öAG den übrigen Bietern nicht mit, weil es sich seiner Ansicht nach um eine Fragestellung rein subjektiver Natur handelte und es damit keiner Auskunft gegenüber anderen Bietern bedurfte. Das Angebot des Bieters A wurde mangels Wirtschaftlichkeit ausgeschlossen.

Bieter A rügte daraufhin mit der Begründung, dass der Erstbieter zwar Lohnnebenkosten, allerdings keinen Tariflohn einkalkuliert habe. Der öAG ist der Ansicht, dass Bieter A hätte erkennen können, dass die Bezahlung des Objektleiters nicht tariflohngebunden sei und er bei der Preiskalkulation von seinem Wahlrecht nach Zahlung eines Tariflohns Gebrauch hätte machen können. Dagegen wehrt sich A und beanstandet die Intransparenz der Zuschlagskriterien, insbesondere seine Benachteiligung durch den fehlleitenden Hinweis des öAG.

Beschluss:
Mit Erfolg. Durch den missverständlichen Hinweis des öAG, ist A gegenüber den anderen Bietern benachteiligt worden. Die unzutreffende Vorstellung des Bieters A wurde durch die Antwort nur an ihn verstärkt. Der öAG gab an, mit seiner Antwort lediglich auf die Frage der Berücksichtigungspflicht der Lohnnebenkosten abzustellen. Er hätte jedoch ohne weiteres in der Antwort auf die Pflicht zur Eintragung des "Lohns inklusive der Lohnnebenkosten" abstellen können. Bestand damit für die Beantwortung der Frage nicht die Notwendigkeit, auf den Tariflohn abzustellen, war die Verwendung des Begriffs "Tariflohn" in der Antwort für den verständigen Bieter dahin zu verstehen, dass auf den Tariflohn (inklusive Lohnnebenkosten) abzustellen ist. Die Bezugnahme des Bieters in seiner Frage auf den Tariflohn kann nicht dahin verstanden werden, dass er im Rahmen der Kalkulationsfreiheit entschieden hätte, der Kalkulation des Lohns des Objektleiters freiwillig einen Tariflohn zugrunde zu legen: Nach der Frage kam für den Bieter ausschließlich die Eintragung des Tariflohns mit Nebenleistungen oder des Tariflohns ohne Nebenleistung in Betracht. Es bestand damit aus Sicht des öAG kein Anlass für die Annahme, dass Bieter A bereits zu diesem Zeitpunkt und in diesem Zusammenhang von einer - unterstellten - Kalkulationsfreiheit Gebrauch gemacht hätte.

Praxistipp:
Der öAG unterlag bereits der Fehleinschätzung, die Bieterfrage sei rein subjektiv und nicht an alle Beteiligten des Verfahrens zu richten, selbst wenn man davon hätte ausgehen können, dass sich der Bieter hinsichtlich seiner Kalkulationsfreiheit entschieden hätte. Die Entscheidung macht deutlich, dass auch der erfahrene Bieter geschützt wird. Durch das Bestärken der Fehlvorstellung muss die Erkennbarkeitsschwelle mit hochgesetzt werden. Die Antwort auf eine Bieterfrage muss so ausgestaltet sein, dass eine erkannte Fehlvorstellung vor Angebotsabgabe nicht weiter verstärkt wird. Hinweise an Bieter sind zumindest so zu formulieren, dass Bieter daraus eventuelle Fehlvorstellungen erkennen können.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2020 (Az.: 11 Verg 12/20)
 

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