OLG München: Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen Schlechterfüllung (§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB)‎


Schließt ein Auftraggeber einen Bieter von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren aus und begründet dies mit der Schlechterfüllung eines früheren öffentlichen Auftrags, ist der Bieter vor der Ausschlussentscheidung anzuhören.

Sachverhalt:
In einem europaweiten Verfahren wurden Reinigungsleistungen für ein Gymnasium öffentlich ausgeschrieben. Der bisherige Reinigungsvertrag mit der Antragstellerin wurde ordentlich gekündigt. Ein weiterer Reinigungsvertrag für ein anderes Gymnasium wurde durch den Antragsgegner außerordentlich gekündigt. Es wurde gleichzeitig eine Sperre für die Erteilung künftiger Aufträge bis zum 31.03.2022 ausgesprochen. Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben Angebote für Los 2 der in dem europaweiten Verfahren ausgeschriebenen Reinigungsleistungen ab. Das Angebot der Antragstellerin war das preislich günstigste.
Die Vergabestelle informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 20.05.2020, dass die Vergabe an die Beigeladene beabsichtigt ist. Die Antragstellerin sei aufgrund der Sperre von der Wertung auszuschließen. Der Ausschluss wurde von der Antragstellerin mit Schreiben vom 26.05.2020 gerügt. Der Antragsgegner half der Rüge insoweit ab, als die Sperre zurückgenommen wurde. Die Antragstellerin wurde dennoch nach § 124 Abs. 1 Ziff. 7 GWB ausgeschlossen, da bei bisherigen Reinigungsleistungen wiederholt Mängel aufgetreten seien. Die Fortführung des gestörten Verhältnisses sei nicht zumutbar. Mit Schreiben vom 03.06.2020 rügte die Antragstellerin den Ausschluss. Der Antragsgegner half dieser Rüge nicht ab. Daraufhin stellte Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag. Der Nachprüfungsantrag wurde durch die Vergabekammer als unbegründet zurückgewiesen.
Die vorzeitige Beendigung eines Reinigungsvertrages habe die Antragstellerin klaglos hingenommen. Die Kündigung wurde auf mangelhafte Leistungen gestützt. Zudem sei eine Kündigung auch wegen nicht genehmigten Nachunternehmereinsatzes möglich gewesen. Im Vergabevermerk wurde ausführlich begründet, dass derzeit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich sei. Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein.

Beschluss:
Mit Erfolg! Die Ausschlussentscheidung ist so, wie sie getroffen wurde, rechtlich nicht haltbar. Unstreitig gab es Vorfälle, aufgrund derer man den Ausschluss der Antragstellerin in Betracht ziehen konnte. So gab es wiederholt Beanstandungen der erbrachten Reinigungsleistungen. Dies führte zu Rechnungskürzungen und einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses. Die Tatsache des ohne schriftliche Zustimmung erfolgten Nachunternehmereinsatzes ist ebenfalls unstreitig. Rechtlich problematisch war, ob dieser bei der Ausschlussentscheidung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB berücksichtigt werden kann, nachdem der Vertrag bereits vorher und unabhängig vom Nachunternehmereinsatz durch den Antragsgegner gekündigt wurde.
Die Ausschlussentscheidung entspricht mangels vorheriger Anhörung der Antragstellerin, mangels einer Prognoseentscheidung und mangels einer ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens jedenfalls nicht den Anforderungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Es bedarf regelmäßig vor einer Ausschlussentscheidung einer Anhörung des betroffenen Bieters. Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Der Ausschluss eines Bieters kommt stets nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Es besteht daher die Verpflichtung, dem betroffenen Bieter vor einem Ausschluss rechtliches Gehör zu gewähren. So wird dem Bieter die Möglichkeit gegeben, Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen. Für eine erforderliche Prognoseentscheidung ist die vorherige Anhörung von erheblicher Bedeutung.

Praxistipp:
Der Ausschluss eines Bieters vom Vergabeverfahren wegen früherer Schlechtleistung stellt faktisch eine Bestrafung mit wirtschaftlichen Konsequenzen dar. Daher ist auch bei nicht zu bescheidenden Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber der Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu beachten. Betroffenen Bietern ist grundsätzlich Gelegenheit zu geben, zu Vorwürfen, die einen Ausschluss vom Vergabeverfahren oder eine befristete Sperre bei der Teilnahme an Vergabeverfahren zur Folge haben, Stellung zu nehmen.

OLG München, Beschluss vom 29.01.2021 (Az.: Verg 11/20)

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