OLG Naumburg: Auch in Papierform entworfene Formblätter müssen im elektronischen Vergabeverfahren nicht unterschrieben werden


18.06.2020: Ist die elektronische Übermittlung von Angeboten in Textform gefordert, sehen die Formblätter aber eine Unterschriftenzeile vor, muss der Bieter diese nicht ausdrucken, unterzeichnen und wieder einscannen.

Sachverhalt:

Die Vergabestelle schrieb im April 2019 in zwei Losen die Unterhaltsreinigung zweier Dienstgebäude im EU-weiten Verfahren aus. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Brutto-Angebotspreis.
Die Vergabeunterlagen enthielten die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes auf Grundlage des Formulars 631 EU, VHB-Bund, Ausgabe 2017. Die Angebotsabgabe war möglich „elektronisch mit fortgeschrittener/m Signatur/Siegel“, elektronisch mit qualifizierter/m Singnatur/Siegel“ und „schriftlich“. Bereits mit dem Angebot waren diverse Unterlagen und Nachweise einzureichen. Die Vergabeunterlagen enthielten zudem Bewerbungsbedingungen auf der Grundlage des Formblattes 632 EU VHB-Bund, Ausgabe 2017. Es war festgelegt, die von der Vergabestelle vorgegebenen Vordrucke zu verwenden seien. Anlagen, welche Vertragsbestandteil werden sollten, waren anzukreuzen. Am Ende des Vordrucks stand im oberen Bereich eines zweigeteilten Kästchens: „Unterschrift (bei schriftlichen Angeboten)“. Im unteren Feld war in Fettdruck angegeben: „Ist - bei einem elektronisch übermittelten Angebot in Textform der Name der natürlichen Person, die die Erklärung abgibt nicht angegeben, - ein schriftliches Angebot nicht an dieser Stelle unterschrieben oder - ein elektronisches Angebot, das signiert werden muss, nicht wie vorgegeben signiert, wird das Angebot ausgeschlossen.“

Die den Vergabeunterlagen beigefügten Vordrucke enthielten in verschiedenen Formulierungen Schlusszeilen für Datum, Unterschriften und Firmenstempel. Auch der Vertragsentwurf enthielt eine Stelle für Unterschrift und Firmenstempel sowohl für die Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer. Die von der Vergabestelle verwendeten Formulare stammten aus den Jahren 2009, 2013 bzw. 2017. Innerhalb der Angebotsfrist sind insgesamt neun elektronische und zwei schriftliche Angebote eingegangen, bei sieben wurden Mängel festgestellt. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin erfolgte u.a. mit der Begründung, die Formerfordernisse an schriftliche und elektronische Angebote seien nicht eingehalten worden. Bewerber- und Eigenerklärung sowie die Leistungsbezeichnung seien nicht unterschrieben oder in Textform signiert gewesen.

Nach erfolgloser Rüge stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer. Diese wies den Nachprüfungsantrag ab. Die fehlenden Unterschriften auf den in den Vergabeunterlagen enthaltenen Formularen waren hierfür jedoch nicht ausschlaggebend. Die Entscheidung der Vergabekammer bezog sich vielmehr darauf, dass in dem elektronisch signierten Angebotsschreiben nicht sämtliche beigefügten Anlagen angekreuzt oder bezeichnet waren. Daher war nach Auffassung der Vergabekammer nicht klar, ob die elektronische Signatur tatsächlich alle beigefügten Anlagen umfasste.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer reichte die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim OLG Naumburg ein.

Beschluss:

Mit Erfolg! Das OLG Naumburg zweifelt an der Herleitung der Vergabekammer zur Unvollständigkeit des Angebots. Das Fehlen eines Kreuzes im Angebotsschreiben für das Leistungsverzeichnis sowie das Fehlen einer enumerativen Aufzählung der sonstigen Anlagen lässt nicht den Schluss zu, dass die Anlagen nicht Inhalt des Angebots seien. Der Angebotsinhalt ist nicht an gesetzten Schriftzeichen abzulesen, sondern durch Auslegung zu ermitteln. Dafür sprach im vorliegenden Fall, dass die Antragstellerin sämtliche Formulare zu Angebotsschreiben ausgefüllt hatte.

Zu Recht war die Vergabekammer aber der Erwägung der Vergabestelle nicht gefolgt, dass ein Formmangel darin besteht, dass div. Eigenerklärungen durch die Antragstellerin lediglich ausgefüllt, nicht aber ausgedruckt, unterschrieben und ggf. gestempelt und wieder eingescannt worden sind. Nach § 53 Abs. 1 VgV sind die Bieter berechtigt, Ihre Angebote insgesamt in Textform nach § 126b BGB mit Hilfe elektronischer Mittel zu übermitteln. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, die elektronische Kommunikation anzuerkennen, er hat gemäß § 10 Abs.1 VgV lediglich ein Ermessen darüber welches Sicherheitsniveau er festlegt.

Praxistipp:

Auch wenn öffentliche Auftraggeber weiterhin Formblätter mit der oben näher beschriebenen Unterschriftszeile verwenden, ist ihr Risiko gering. Der Auftraggeber sollte einen Bieter in diesem Fall jedoch nicht mit der Begründung vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen, dass er die eingescannte eigenhändige Unterschrift nicht geleistet hat. Dies jedenfalls dann, wenn die Vergabeunterlagen so zu verstehen waren, dass der Auftraggeber keine Abweichung von der gesetzlich geregelten Formvorgabe vornehmen wollte. Dennoch ist Auftraggebern zu empfehlen, die von den Bietern einzureichenden Vergabeunterlagen auf Übereinstimmung mit den eigenen Formvorgaben zu kontrollieren und ggf. zu überarbeiten. Gerade in Zeiten, in denen Auftraggeber noch immer die geringe Anzahl von eingereichten Angeboten beklagen, sollte Bietern die Angebotsabgabe so einfach wie möglich gemacht werden.

OLG Naumburg, Beschluss vom Datum 04.10.2019 (Az.: 7 Verg 3/19).
 

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