OLG Rostock: Gewinnstreben eines kommunalen Wohnungsunternehmens steht der Eröffnung des Vergaberechtsweges ‎nicht entgegen


31.03.2020:
Sachverhalt: Die Auftraggeberin, eine kommunale Wohnungsgesellschaft, schrieb im April 2018 europaweit im Wege eines nichtoffenen Planungswettbewerbs mit nachgelagertem Verhandlungsverfahren aus. Die Bekanntmachung nahm pauschal auf die HOAI Bezug. Das Angebot der Antragstellerin erzielte im Planungswettbewerb den 1. Platz. Nach Abschluss der Verhandlungen und Übergabe der abschließenden Vergabeunterlagen – diese enthielten Vorgaben zur Beachtung der HOAI-Mindestsätze – wurden zwei verbliebene Bieter schriftlich zur finalen Angebotsabgabe aufgefordert. Der Zuschlag sollte dem im Planungswettbewerb zweitplatzierten Bieter erteilt werden. Die beabsichtigte Zuschlagserteilung ist schriftlich mitgeteilt worden. Nach erfolgloser Rüge von Vergaberechtsverstößen hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer M-V eingereicht, welchen die Vergabekammer verworfen hat. Begründend wurde ausgeführt, die Antragsgegnerin sei kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 99 Nr. 2 GWB. Daher sei der Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB und somit der Vergaberechtsweg zur Vergabekammer nicht eröffnet. Es fehle am Tatbestandsmerkmal der Nichtgewerblichkeit der Aufgabenerfüllung; die Auftraggeberin agiere gewerblich. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten sofortige Beschwerde beim OLG Rostock einlegen lassen.

Beschluss:
Mit Erfolg: Öffentliche Auftraggeber sind nach § 99 Nr. 2 GWB u.a. juristische Personen des Privatrechts, deren besonderer Zweck in der Erfüllung im Allgemeininteresse liegender Aufgaben nicht gewerblicher Art liegt, Gebietskörperschaften diese einzeln oder gemeinsam durch Beteiligungen oder in sonstiger Weise überwiegend finanzieren oder über deren Leitung eine Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung oder zur Beaufsichtigung berufenen Organe bestimmt haben. Ausweislich der Gesellschaftsverträge steht die Auftraggeberin – organisiert als juristische Person des Privatrechts in der Rechtform GmbH – unter vollständiger Kontrolle der Kommune, der Alleingesellschafterin. Zwar hat die Vergabekammer zu Recht festgestellt, dass die Auftraggeberin im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zur sozial verträglichen Bereitstellung von Wohnraum wahrnimmt. Allerdings ist diese Aufgabenerfüllung, entgegen der Sichtweise der Vergabekammer, nichtgewerblicher Art i.S. von § 99 Nr. 2 GWB. Diese Entscheidung führte für die Antragstellerin jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis, die Beschwerde war im Ergebnis unbegründet, da die öffentliche Auftraggeberin das Vergabeverfahren wegen einer wesentlichen Änderung der Grundlage des Vergabeverfahrens aufgehoben hat. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die öffentliche Auftraggeberin führte zu folgender Entscheidung.

Praxistipp:
Das OLG Rostock bestätigt mit seiner Entscheidung die in unserem Newsletter 07-2019 dargestellte Auffassung des OLG Hamburg (dortiger Beschluss vom 11.02.2019, 1 Verg 3/15): Eine kommunale Eigengesellschaft ist dann als öffentlicher Auftraggeber mit entsprechenden Ausschreibungsverpflichtungen zu qualifizieren, wenn es auf dem relevanten kommunalen Markt keinen ernstzunehmende Wettbewerber gibt oder sie sogar eine Monopolstellung innehat, sie nach ihrer Satzung ohne Gewinnerzielungsabsicht (nichtgewerblich) handelt und öffentliche Mittel in Anspruch nimmt. Bei Aufgaben, die an die ausschließliche Zuständigkeit der Kommune geknüpft sind und daher gar nicht frei im Markt angeboten werden, dürfte regelmäßig die öffentliche Auftraggebereigenschaft zu bejahen sein.

OLG Rostock Vergabesenat, Beschluss v. 02.10.2019 - 17 Verg 3/19 -

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