OLG Rostock: Keine Angabe von Preisumrechnungsformeln in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen ‎


Sachverhalt:
Gegenstand des vorgelegten Verfahrens ist ein Nachprüfungsantrag im Zusammenhang mit der Ausschreibung von Planungsleistungen für die Erschließung im Rahmen eines Bebauungsplans. Sowohl die Antragstellerin als auch der Beigeladene betreiben ein Architekturbüro.

Die Vergabestelle als Antragsgegnerin hatte das Vorhaben im Jahr 2019 europaweit zur Ausschreibung gebracht. Im Frühjahr 2020 wurde nach Eingang entsprechender Angebote im Verhandlungsverfahren eine erste Wertungsentscheidung vorgenommen. Hier lag der Beigeladene auf dem ersten Platz, die Antragstellerin auf dem dritten. Gegen die beabsichtigte Beauftragung des Beigeladenen in diesem "ersten Durchgang" hat die Antragstellerin sich vor der Vergabekammer in dem dortigen Verfahren erfolgreich gewehrt; mit Beschluss vom 30.07.2020 hat die Vergabekammer Antragsgegnerin aufgegeben, die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu wiederholen. Im Ergebnis der erneuten Angebotswertung nahm der Beigeladene, der Bestbieter aus dem ersten Verfahrensdurchlauf, erneut den ersten Platz ein, die Antragstellerin nunmehr den zweiten Platz. Bei einigen Zuschlagskriterien erhielten die Bieter von der ersten Bewertung abweichende Punkte. Dies resultierte daraus, dass die Vergabestelle die Bewertungsmethode für den Preis geändert hatte, ohne dies bekannt zu geben. Der erneute Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist erfolglos geblieben; die Vergabekammer hat ihn zurückgewiesen.

Hiergegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde vor dem OLG Rostock ein. Der Antragstellerin richtete sich vor allem gegen die neue Wertung der Zuschlagskriterien, insbesondere die Bewertung des Preises.

Beschluss:
Die Beschwerde blieb erfolglos. Das OLG Rostock beschloss: …“Die Preisumrechnungsformel muss regelmäßig nicht vorab bekannt gegeben werden. Nur für die "Zuschlagskriterien und deren Gewichtung" ordnet § 127 Abs. 5 GWB eine Aufführung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen an.

Das OLG argumentiert dabei wie folgt: …„Als unbedenklich erweist sich insoweit zunächst, dass die (neue) Preisumrechnungsformel den Bietern nicht vorab bekannt gemacht worden ist, sondern erstmalig in dem Prüfbericht kundgemacht wird, also im Rahmen des Vergabevermerks. Die Umrechnungsformel muss nämlich - was im Ausgangspunkt auch die Antragstellerin nicht in Zweifel zieht - nach zutreffender herrschender und obergerichtlich sogar einhelliger Auffassung nicht vorab bekannt gegeben werden (OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 u.a.). Nur für die "Zuschlagskriterien und deren Gewichtung" ordnet § 127 Abs. 5 GWB eine Aufführung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen - also im Vorfeld der Angebotsabgabe - an. Von daher war es ausreichend, das Kriterium - "Preis" - und dessen Gewichtung - vorab mitzuteilen, dies jedenfalls für den Fall, dass - wie hier - letztlich eine Umrechnungsformel verwendet wird, die üblich ist bzw. sich im Grunde als nächstliegend aufdrängt und mit deren Verwendung die Bieter insofern ohne Weiteres rechnen mussten (OLG München, a.a.O., Tz. 103). Allenfalls die beabsichtigte Verwendung einer nichtlinearen und deshalb aus Sicht eines durchschnittlichen Bieters nicht ohne weiteres erwartbare Methode - wie hier im "ersten Anlauf" - hätte im Vorfeld kommuniziert werden müssen (OLG Schleswig, a.a.O., Tz. 29).

Hieran ändert insbesondere der Umstand nichts, dass die Antragstellerin mittlerweile von der im "ersten Anlauf" von Seiten der Antragsgegnerin zu Grunde gelegten anderen - nichtlinear gestuften - Umrechnungsformel, wie sie sich aus dem Prüfbericht ergibt, wusste. Unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit dieser ursprünglich zu Grunde gelegten - auch damals im Vorfeld der Vergabeentscheidung nicht offengelegten - Formel ergab sich aus der bloßen zwischenzeitlichen Kenntnis der Antragstellerin jedenfalls kein Vertrauensschutz des Inhalts, dass der Wechsel des Umrechnungssystems einer Vorabbekanntmachung bedurft hätte. Dass der Wechsel der Umrechnungsmethode für die Antragstellerin überraschend gewesen sein mag, begründet jedenfalls keinen selbständigen - formell rechtlichen - Mangel der zweiten Auswahlentscheidung unter dem Gesichtspunkt von Bekanntgabeobliegenheiten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.03.2017 u.a.)

Praxistipp:
Das OLG Rostock hat die ständige Rechtsprechung bekräftigt, wonach gem. § 127 Abs. 5 GWB lediglich Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt sein müssen - und nicht ausdrücklich die Preisumrechnungsformel. Gleichwohl sollten Vergabestellen sicherheitshalber die Berechnungsformel mit angeben. Das OLG Rostock bezieht sich bei seinen Beschlussgründen ausdrücklich auf das OLG München, welches die Einschränkung macht, dass auf eine Bekanntgabe nur dann verzichtet werden darf, wenn „eine Umrechnungsformel verwendet wird, die üblich ist bzw. sich im Grunde als nächstliegend aufdrängt und mit deren Verwendung die Bieter insofern ohne Weiteres rechnen mussten“. Dies kann im Einzelfall bestreitbar sein. Welche der vielen Berechnungsformeln drängt sich schon als nächstliegend auf? Vor diesem Hintergrund trägt eine Bekanntgabe der Berechnungsmethode zur Rechtssicherheit – und für Bieter auch zu besseren Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Vergabeentscheidung - bei.

OLG Rostock Vergabesenat, Beschluss vom 03.02.2021, 17 Verg 6/20

 

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