VK Bund: Angebotswertung nur anhand bekannt gemachter Zuschlagskriterien


22.10.2020: Die Zuschlagskriterien sind von Anfang an so festzulegen und bekannt zu machen, dass für jeden Bieter erkennbar ist, ob sein Angebot die Zuschlagskriterien erfüllt.

Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin machte in einem EU-weiten Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb die beabsichtigte Vergabe „Abschluss eines Rahmenvertrages zur Bewachung […]“ bekannt. Auftragsgegenstand war die „Bewachung und Absicherung von Anlagen und Einrichtungen der Ag […] mit persönlich zugewiesener Waffe“. Der geschätzte Auftragswert übersteigt den Schwellenwert für die Auftragsvergabe deutlich.

Als gewichtete Zuschlagskriterien wurden in der Bekanntmachung der Preis mit 40 % und die Qualität der Leistung mit 60 % angegeben. Im Anhang zu den Vergabeunterlagen („Wachkathegorie B“) wurden die qualitativen Zuschlagskriterien und -unterkriterien festgelegt und im Einzelnen beschrieben. Im Teil „Auftragsmanagement“ ist das Zuschlags-Unterkriterium 2.2. „Kenntnisse und Erfahrung des originär Objektverantwortlichen“ aufgeführt, welches eine schriftliche Darstellung über die Qualifikation und Fähigkeiten des Objektverantwortlichen fordert. Es gibt die Wertungsstufen „ausgezeichnet“ (volle Punkte), „überobligatorisch“ (halbe Punkte), „anderenfalls“ (keine Punkte). Gefordert sind Erfahrungen des Objektverantwortlichen zur Bewachung von „[…] Liegenschaften oder vergleichbarer ziviler Infrastruktur […] besitzt und dies durch Vorlage positiver Referenzschreiben der Auftraggeber (nicht Arbeitgeber) belegt“. Die Einordnung in eine als „kritisch“ geltende Infrastruktur erfolgt auf Basis der Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie).

Die Antragstellerin, die Beigeladene sowie weitere Bieter beteiligten sich mit Erfolg am Teilnahmewettbewerb und gaben fristgerecht Angebote ab. Der Objektverantwortliche der Antragstellerin hatte seit über 10 Jahren bei der Bewachung der Liegenschaft eines Krankenhauses fungiert. Diese erfolgte unbewaffnet. Mit Schreiben vom 03.03.2020 erhielt die Antragstellerin die Mitteilung gemäß § 134 GWB, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden sollte. Diese habe im Rahmen der Angebotswertung bei den qualitativen Zuschlagskriterien eine höhere Gesamtpunktzahl erzielt. Die Antragstellerin hatte bei der Bewertung des Zuschlagskriteriums Preis auf dem ersten Platz gelegen. Die Antragstellerin bat mit Schreiben vom 03.03.2020 um Mitteilung zur Bewertung der einzelnen Wertungskriterien. Am selben Tag erfolgte die Auskunft, dass das Wertungskriterium „Auftragsmanagement“ mit 0 Punkten bewertet wurde, da die Referenz nur „die Tätigkeit lediglich in einem Krankenhaus wiedergibt und nicht in einer vergleichbar zivilen, kritischen Infrastruktur“.

Mit Schreiben vom 06.03.2020 rügte die Antragstellerin der Bewertung des Unterkriteriums 2.2., mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12.03.2020 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer des Bundes. Inhalt der Rüge war das Wertungsprogramm der Antragstellerin zur Einordnung des referenzgebenden Krankenhauses in die vergleichbar zivile, kritische Infrastruktur, die nachteilige Bewertung, dass die Bewachungsleistungen dort unbewaffnet erfolgten sowie die Einordnung der Bewachungsdienstleistungen als reiner Pförtnerdienst.

Die Antragsgegnerin bezog sich in ihrer Stellungnahme auf die Eindeutigkeit der Vergabeunterlagen. Eine Sicherheitsdienstleistung sei keinesfalls als vergleichbar mit einer bewaffneten Bewachung einzuschätzen und verwies auf die Kriterien, die für die Auswahl der Bieter im Teilnahmewettbewerb aufgestellt wurden.
Die Beigeladene stellte keinen eigenen Antrag, machte aber geltend, dass die Referenzanforderungen des Teilnahmewettbewerbs der bewaffneten Bewachung eindeutig einen Vorzug geben. Das referenzgebende Krankenhaus gehöre zwar der kritischen Infrastruktur an, aber die Sicherheitsleistungen für jedes Krankenhaus sei gleich zu bewerten. Die Führungsfähigkeiten des Objektverantwortlichen seien für die bisherige Führung einer nur kleinen Gruppe von 3-4 Mitarbeitern nachgewiesen, was mit der künftigen Führung von mindestens 13 Mitarbeitern nicht vergleichbar sei. Es wurden insgesamt Defizite des Objektverantwortlichen im konzeptionellen Teil der Antragstellerin geltend gemacht. Hier wurde u.a. auf zu treffende Absprachen zwischen Auftragsnehmer und Auftraggeber sowie der Nachweis zur Waffenausbildung abgestellt.

Beschluss:
Der Antrag hatte Erfolg! Dem Auftraggeber steht bei der Angebotswertung ein nur eingeschränkter überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass ein wirksamer Wettbewerb gewährleistet wird. Die Möglichkeit einer willkürlichen Zuschlagserteilung darf nicht gegeben sein. Inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen, muss einer wirksamen Überprüfung zugänglich sein.
Die Antragstellerin hatte in den Vergabeunterlagen auf die Definition der Nationalen Strategie zum Schutz kritischer Infrastruktur (KRITIS) verwiesen. Krankenhäuser fallen unter diese Definition. Die einschränkende Wertung, dass ein Krankenhaus im Rahmen des Zuschlagskriteriums grundsätzlich nicht anerkannt werden kann, steht hierzu im Widerspruch. Die referenzierte Tätigkeit des Objektverantwortlichen der Antragstellerin ist in der Folge auch als relevante Bewachungsleistung anzuerkennen, auch wenn die Bewachungsleistung unbewaffnet erfolgte.

Praxistipp:
Bereits bei Erstellung der Vergabeunterlagen muss klar, welche Anforderungen der künftige Auftragnehmer erfüllen muss. Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen bereits in den Vergabeunterlagen so gefasst sein, dass Bieter erkennen können, was der Auftraggeber erwartet. Die Verengung der Wertungskriterien im Nachhinein ist nicht zulässig.

2. VK Bund, Beschluss vom 14.04.2020, VK 2 -15/20

Die hier zitierten Entscheidungen finden Sie in der Regel über https://dejure.org/. Sollte eine Entscheidung hierüber nicht auffindbar sein, hilft Ihnen Ihre zuständige Auftragsberatungsstelle gerne weiter.
 

Ihr persönlicher Kontakt Steffen Müller
Telefon: 0895116-3172
E-mail schreiben