VK Bund: Wann ist der Vorauftragnehmer vorbefasst?

 

28.02.2022: Unterstützt ein Büro bei der Findung und Festlegung der Ziele für einen Folgeauftrag, ist dies kein reiner Vorauftrag, sondern eine Vorbereitung der Folgeausschreibung, die dadurch einen Wissensvorsprung beinhaltet.

 

Sachverhalt:

Ausgeschrieben war in einem EU-weiten Offenen Verfahren die Moderation und Begleitung eines Strategiezielprozesses. Bieter A gibt ein Angebot ab, welches vom öffentlichen Auftraggeber mit der Begründung abgelehnt wird, es sei qualitativ nachrangig gewertet worden. A gehe nicht präzise genug auf die Leistungsbeschreibung ein und dargelegte Konzepte berücksichtigten nicht hinreichend die Organisationsstruktur des Auftraggebers. A rügt die qualitative Abwertung seiner Konzepte und die Bewertung seines Beraterteams und strengt ein Verfahren vor der zuständigen Vergabekammer an. Nach Akteneinsicht trägt A vor, er sei aufgrund eines wettbewerbsverzerrenden Informationsvorsprungs des Bieters B in seinen Rechten verletzt. B habe konkrete Kenntnisse über Details eines Vorprojekts, welches zum Kern der gegenständlichen Ausschreibung gemacht worden sei. Dadurch bekannte Informationen habe B bei der Erstellung seiner einzureichenden Konzepte zu seinem Vorteil nutzen können. Der öffentliche Auftraggeber macht dagegen geltend, dass B in keiner Weise an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens beteiligt gewesen sei. Eine bloße Vorbeauftragung begründe gerade keine Projektantenstellung.

 

Beschluss:

Der Nachprüfungsantrag des A ist begründet. Der wettbewerbsverzerrende Wissensvorsprung des B hätte gegenüber den anderen Bietern ausgeglichen werden müssen. B war zwar bei rein formaler Betrachtung nicht in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens eingebunden. Dennoch liegt eine relevante Vorbefasstheit vor. Zugrunde zu legen ist bei der Betrachtung nicht nur eine formelle, sondern eine funktionale Betrachtungsweise. B hat in einem Auftrag den öffentlichen Auftraggeber dabei unterstützt und begleitet, Ziele, deren Konkretisierung und Umsetzung mit dem streitgegenständlichen Auftrag erfolgen sollen, zu finden und festzulegen. Es handelt sich beim ersten Auftrag somit nicht um einen vom streitgegenständlichen Auftrag losgelösten Vorauftrag, sondern bei einer materiellen Betrachtung um eine Vorbereitung des vorliegenden Auftrags. Die Kenntnis der Ziele stellt einen relevanten Wettbewerbsvorteil dar und ist geeignet, den Wettbewerb zu verzerren.

 

Praxistipp:

Im Regelfall wickelt der Vorauftragnehmer nur ab und ist gerade nicht in die Vorbereitung der Folgeausschreibung eingebunden. Sein Wissens- und Wettbewerbsvorsprung ist aufgrund seiner abstrakten Erfahrungen systemimmanent und begründet grundsätzlich kein ausgleichspflichtiges Sonderwissen. Dass alle Bieter denselben Kenntnisstand haben müssen, ist bei einem Konzeptwettbewerb besonders bedeutsam, denn dem öffentlichen Auftraggeber kommt bei der Bewertung der Konzepte im Rahmen einer funktionalen Vorgaben ein weiter (subjektiver) Beurteilungsspielraum zu. Umso wichtiger ist es, dass alle Bieter in gleicher Weise über dieselben relevanten Informationen verfügen.

 

VK Bund, Beschl. vom 21.09.2021 (Az.: VK 2-87/21)

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