VK Bund: Zertifikate sind unternehmensgebunden


28.09.2020: Entsteht eine Gesellschaft durch Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz können die Zertifikate des noch bestehenden, im Zertifikat genannten Unternehmens nicht mit Berufung auf die Rechtsnachfolge weiter genutzt werden.

Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin führte ein europaweites offenes Verfahren durch. Der Dienstleistungsauftrag sollte am 01.08.2020 beginnen und eine Laufzeit von vier Jahren haben. Zuschlagskriterium war der Preis. Unterauftragnehmer waren zugelassen. Neben anderem waren zur Eignungsprüfung mit den Vergabeunterlagen vorzulegen: „… ein aktuelles Zertifikat nach DIN EN ISO 9001:2015 oder gleichwertig sowie ein aktuelles Zertifikat nach DIN ISO 14001:2015 oder gleichwertig …“, um die Einhaltung von Qualitäts- und Umweltmanagementmaßnahmen nachzuweisen. *

Mit dem Angebot überreichte die Beigeladene Zertifikate eines akkreditierten Zertifizierungsunternehmens sowie einen Begleittext „Eigenerklärung – ISO Zertifikate“. Der Begleittext führte aus, dass die Zertifikate auf eine andere Firmierung ausgestellt wurden. Die Beigeladene entstand 2019 im Wege der Ausgliederung eines Geschäftsbereiches nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG).

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin am 19.03.2020 gem. § 134 GWB mit, dass der Zuschlag an die Beigeladene wegen Abgabe des wirtschaftlichsten Angebots erteilt werden sollte. Die Antragstellerin rügte den vorgesehenen Zuschlag, mit der Begründung, Kenntnis aus dem Markt heraus davon zu haben, dass die Auftragsausführung zu 100 % durch Unterauftragnehmer erfolgen werde. Diese selbst seien aber nicht nach DIN ISO 9001 und 14001 zertifiziert, was bei leistungsbezogenen Eignungskriterien jedoch erforderlich sei.
Die Rüge wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.03.2020 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Vergabeunterlagen lediglich vorsähen, im Fall einer Unterauftragsvergabe Art und Umfang des Auftragsverhältnisses und der Subunternehmer zu benennen. Eignungsnachweise der Subunternehmer seien nicht zu verlangen, was den (einfachen) Nachunternehmer von Eignungsleiher unterscheide. Die Antragstellerin stellte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02.04.2020 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer.

Beschluss:
Mit Erfolg. Die Beigeladene hat mit den vorgelegten Zertifikaten die Eignung nicht nachgewiesen. Es liegt keine vollständige Gesamtrechtsnachfolge vor, da die übertragende Gesellschaft weiterhin besteht. Es kann also nur von einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge gesprochen werden. Für die Rechtsnachfolge, gleich welchen Grundes, ist nach Ansicht der Vergabekammer anerkannt und selbstverständlich, dass höchstpersönliche Rechte und Pflichten einem Übergang auf den Rechtsnachfolger nicht zugänglich sind. In der mündlichen Verhandlung wurden als Beispiele das „Staatsexamen“ sowie die „Goldmedaille“ diskutiert, die im Erbfall nicht auf den Erben übergehen. Es ist die Auffassung der Vergabekammer, dass es sich bei der hier streitgegenständlichen Zertifizierung um einen ebenso nicht durch reines Rechtsgeschäft übertragbaren Umstand handelt. Es wurde versäumt, die Umschreibung der Zertifikate auf die beigeladene Bieterin vorzunehmen.

Praxistipp:
Durch Ihre Entscheidung stellt die Vergabekammer klar, dass Zertifikate rein unternehmensbezogen sind. Durch Abspaltung entstandene Unternehmen „erben“ die Zertifikate der darin genannten Gesellschaften nicht. Es sollte jeweils geprüft werden, ob das jeweilige Zertifikat einer Änderung zugänglich oder erneut eine Zertifizierung durchzuführen ist.

2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 28.05.2020 (Az.: VK 2 – 29/20)

 

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