VK Lüneburg: Referenzen sind zu überprüfen


20.08.2020: Werden in der Bekanntmachung Referenzen über "vergleichbare" Aufträge gefordert, darf der Auftraggeber bei der Bewertung der Referenzen keinen zu engen Maßstab anlegen. Er ist gehalten, den Referenzangaben bei jedem Bieter zumindest teilweise nachzugehen, sie z. B. durch telefonische Nachfrage bei den Referenzauftraggebern zu überprüfen.

 

Sachverhalt:

Der öffentliche Auftraggeber (öAG) schrieb den Bau eines passiven Breitbandnetzes in einem EU-weiten Verfahren aus. Zum Nachweis der Eignung forderte er eine "einschlägige" Referenz. Die "Vergleichbarkeit" der Referenz sollte u. a. anhand des Kriteriums Art der Leistung bewertet werden. Der öAG hielt Erfahrungen im Leitungsbau (außerorts) in geschlossener Bauweise für förderlich. Die Eignung des Bieters A wurde wegen Nichterfüllung der Eignungsbedingungen verneint und sein Angebot ausgeschlossen. A stellte einen Nachprüfungsantrag. Nach erfolgter Akteneinsicht beanstandet A, dass der öAG keine Rücksprache bei den Referenzgebern vorgenommen habe.

 

Beschluss:

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Der Ausschluss des Angebots des A aufgrund vermeintlich nicht nachgewiesener Eignung ist vergaberechtswidrig. Die in der Vergabeakte dokumentierte Prüfung der Eignung des A - insbesondere auch hinsichtlich der von ihm beigebrachten Referenz - genügt weder den Anforderungen des §16 b EU VOB/A 2019 noch den Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeverfahrens gemäß § 20 VOB/A 2019, § 8 VgV.
 

Bei der Bewertung der Vergleichbarkeit einer Referenz steht dem öAG ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Es genügt, wenn die Referenzleistungen dem zu vergebenden Auftrag nahekommen und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen. Dies wurde hier nach Ansicht der Vergabekammer verkannt. Die Referenzen, die überwiegend innerorts ausgeführte Leistungen in offener Bauweise beinhalteten, passen zum hier in Rede stehenden Auftrag. In der Vergabeakte ist nicht dokumentiert, ob, wann, mit welchem Inhalt und mit welchem Ergebnis der öAG Kontakt zum Referenzgeber aufgenommen und sich mit diesem über die Art und Weise der Auftragserledigung durch den Bieter ausgetauscht hat. Dies wäre hier notwendig gewesen, da der öAG nur eine einzige Referenz für den Nachweis der Eignung gefordert hat. Bei einer vom öAG gesetzten Beschränkung der Eignungsdarstellung auf nur eine Referenz, ist es erforderlich, dass für jeden Bieter die Referenz mit der nötigen Tiefe überprüft, nämlich mit dem Referenzauftraggeber erörtert und entschieden wird, ob der Referenzauftrag die ausgeschriebenen Leistungen abdeckt und die Eignung des Bieters bejaht werden kann. Ein solches Vorgehen ist dem öAG zumutbar und muss in genügender Weise vor der Ausschlussentscheidung dokumentiert werden.

 

Praxistipp:

Wenn, wie vorliegend, der öAG im Rahmen der Eignung nur eine Referenz von den Beteiligten abfragt, ist die Prüfung der Vergleichbarkeit einer Referenz vollumfänglicher vorzunehmen. Kritisch zu werten ist im vorliegenden Fall, dass der öAG nicht nur eine, wie von der Verordnung vorgegebene, „vergleichbare“, sondern eine „einschlägige“ Referenz verlangte. Darauf ist die Kammer in ihrer Entscheidung gar nicht eingegangen. Nur wenn eine Referenz nach der Papierform als "passend" anzusehen ist, kann überhaupt eine Pflicht des öAG bestehen, sich die Richtigkeit und die ordnungsgemäße Leistungserbringung durch den Referenzgeber bestätigen zu lassen. Eine Pflicht des öAG, jedwede Referenz zu überprüfen, dürfte angesichts des vergaberechtlichen Beschleunigungs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht bestehen.

 

VK Lüneburg, Beschluss vom 18.05.2020, Az.: VgK 06/2020

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