VK Nordbayern: Referenzbescheinigungen verpflichtend nur im Bereich Bau


26.02.2020: Der öffentliche Auftraggeber kann von Bietern bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen nicht die Vorlage von Referenzbescheinigungen, ausgestellt durch die jeweiligen Referenzgeber, verlangen.

Sachverhalt:
Ausgeschrieben war die Lieferung von 3-Achs-Lastkraftwagen in einem EU-weiten Verfahren. In der Auftragsbekanntmachung setzte der Auftraggeber einen Link, der zum Formblatt L 124 EU (Eigenerklärung zur Eignung) führte, welches er aber nicht bearbeitet hatte. Angekreuzt war deshalb nicht, dass die Bieter drei vergleichbare Referenzleistungen zu benennen hatten. In den Vergabeunterlagen befand sich das Formblatt L 124 des Vergabehandbuchs für Lieferungen und Leistungen (VHL) Bayern für die Eignungserklärung, in dem der entsprechende Platzhalter zur Benennung von drei Referenzen angekreuzt war. Dieses Formblatt enthielt zudem folgenden Passus: "Falls mein(e)/unsere(e) Bewerbung/Angebot in die engere Wahl kommt, werde(n) ich/wir für die oben genannten Leistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis auf gesondertes Verlangen vorlegen."
Bieter A rügt diese Vorgabe: Eine Referenzbescheinigung könne nicht in jedem Fall beigebracht werden und zwar aus Gründen, die der Bieter nicht zu vertreten habe. Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab, die Anforderungen an die Referenzen seien mittels einer abrufbaren direkten Verlinkung wirksam bekannt gemacht worden, und drohte A mit dem Ausschluss. A strengte daraufhin ein Nachprüfungsverfahren an. Im Nachprüfungsverfahren erklärte der Auftraggeber, er versetze das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurück, da Änderungen an den Vergabeunterlagen zwingend erforderlich seien: Das der Bekanntmachung beigefügte Formblatt habe nicht die notwendigen Angaben enthalten und werde erneut bekannt gemacht.

Beschluss:
Der Nachprüfungsantrag hatte überwiegend Erfolg: Die Forderung nach Referenzbescheinigungen sei rechtswidrig, weil § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV nur die (Eigen-)Angabe von Referenzen in Form einer Liste erlaube. Bescheinigungen der Referenz-Auftraggeber seien in § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV nicht erwähnt und dürften daher nicht verlangt werden. Auch Anhang XII Teil 2 a) ii) der Vergaberichtlinie 2014/24/EU spreche nur von "Verzeichnissen". Anders bei Bauleistungen. Nach der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU könne ein Auftraggeber "für die wichtigsten Bauleistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis" verlangen (vgl. auch § 6a EU Nr. 3 a Satz 1 VOB/A). Bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sei die verpflichtende Vorlage von Referenzbescheinigungen dagegen nicht zulässig; zumindest dürfe die Vergabestelle ein Angebot nicht deswegen ausschließen, weil die angeforderten Referenzbescheinigungen nicht (fristgerecht) vorgelegt werden. Die Vorgabe an die Bieter, einen Ansprechpartner zur Prüfung der Referenzen zu benennen, dürfe vom Auftraggeber verlangt werden.

Praxistipp:
Mit der Vergaberechtsreform 2016 ist die Regelung zur Vorlage von Referenzen im Liefer- und Dienstleistungsbereich geändert worden. Es reicht die Auflistung entsprechender zum Leistungsgegenstand vergleichbarer Aufträge. Geändert hat sich die Form, der Sinn und Zweck ist jedoch derselbe geblieben: Öffentliche Auftraggeber nutzen die Angaben, um die Eignung feststellen zu können; dies auch durch Rücksprache mit dem jeweiligen Referenzgeber.

VK Nordbayern, Beschluss vom 7.11.2019 (Az.: RMF -SG21- 3194-4-48).

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