VK Sachsen-Anhalt‎: Präqualifizierungssysteme als Nachweis der Eignung


Die VK Sachsen-Anhalt hat sich in seiner Entscheidung mit dem Thema der Präqualifikation, insbesondere mit der Frage „Nachweis der Eignung“ und „verpflichtenden Beachtung von Präqualifikationssystemen bei der Eignungsprüfung durch den Auftraggeber“ beschäftigt.

 

Sachverhalt:

Ausgeschrieben waren Gebäudeinnenreinigungsleistungen in vier Losen in einem EU-weiten Offenen Verfahren. Der Auftraggeber hatte in der Bekanntmachung unter Ziffer III.1. zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit vorgegeben, dass neben der Vorlage der gültigen Einzelnachweise auch die Eintragung in das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis (ULV) der Auftragsberatungsstelle Sachsen-Anhalt bzw. in das Amtliche Verzeichnis der IHKs (AVPQ) vorgelegt werden konnte.

Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit war unter Ziffer III.1.3) der Bekanntmachung die Vorlage einer Referenzliste je beworbenen Loses von mindestens drei mit dem Auftragsgegenstand vergleichbaren Leistungen gefordert. Laut Vergabevermerk sollte auf die Nachforderung von Unterlagen verzichtet werden. Bieter B wurde mit seinem Angebot auf alle vier Lose ausgeschlossen, mit der Begründung, dass die vorgelegten Referenznachweise nicht der geforderten Form entsprächen. Bei den geforderten Angaben zu den Referenzen fehlten die Auftragswerte.

 

B rügt den Ausschluss seines Angebotes sowie die Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit des Informationsschreibens nach § 134 GWB als vergaberechtswidrig. Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach §§ 123, 124 GWB könne ausdrücklich ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifikationssystemen erbracht werden. Auch den Vergabeunterlagen selbst könne keine Einschränkung entnommen werden, dass die Verwendung eines Präqualifikationssystems auf bestimmte Bereiche oder Leistungsnachweise begrenzt oder sogar ausgeschlossen sei. Sollte dies dennoch beabsichtigt gewesen sein, wären die Vergabeunterlagen unklar und nicht eindeutig. Den Angeboten sei das Zertifikat mit den entsprechenden Zugangsdaten beigefügt. Darauf sei auch im Angebotsschreiben explizit hingewiesen worden. Aus dem Zertifikat ergebe sich eindeutig, dass für die in Rede stehenden Leistungsbereiche Referenzen hinterlegt seien. Diese beinhalteten alle geforderten Angaben einschließlich der Auftragswerte. Zudem gelte gemäß § 48 Abs. 8 VgV die Eignungsvermutung. Danach könne die Eignung nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen werden. Solche Gründe seien hier nicht ansatzweise vorgetragen worden.

Mit der Übermittlung der Nichtabhilfeentscheidung teilte die Auftraggeberin B mit, dass die Vorlage einer Referenzliste je beworbenem Los gefordert gewesen sei. Die Gesamtzahl der präqualifizierten Referenzen hätte drei betragen. Die Angebote hätten sich jedoch auf vier Lose erstreckt. Ferner seien mit dem Angebot unvollständige Referenzen eingereicht worden, sodass unter Einhaltung der Vergabegrundsätze die Verwendung der zusätzlichen präqualifizierten Referenzangaben gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde, da die Vergabestelle von ihrem Wahlrecht gemäß § 56 Abs. 2 VgV Gebrauch gemacht und auf die Nachforderung von Unterlagen verzichtet habe. B wendet sich an die zuständige Vergabekammer.

 

Beschluss:

Mit Erfolg. B habe den Nachweis der geforderten Referenzen je beworbenen Loses gemäß Zertifizierung erbringen können. Die Präqualifizierung belege die Eignung des Bieters bezogen auf den konkreten präqualifizierten Leistungsbereich. Der Bekanntmachungstext sieht unter Ziffer III. 1.3) hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit in Abweichung zu Ziffer III. 1.2) neben der Vorlage einer Referenzliste keine weitere Möglichkeit eines Rückgriffs auf Angaben durch eine Präqualifikation vor. Der bloßen Nichterwähnung kommt allerdings keinerlei rechtsgestalterische Auswirkung zu, der man mit einer Rüge zu begegnen hätte. Ein Bieter oder Bewerber ist gemäß § 50 Abs. 3 Nr. 1 VgV von der Verpflichtung zur Vorlage ausdrücklich abgeforderter Unterlagen dann befreit, wenn der öffentliche Auftraggeber diese Unterlagen über eine für diesen kostenfreien Datenbank innerhalb der Europäischen Union, insbesondere im Rahmen eines Präqualifikationsverfahrens, erhalten kann.

Ein Auftraggeber ist ‑ unabhängig davon, ob er in der Bekanntmachung seine Bereitschaft zur Umsetzung des § 50 VgV zum Ausdruck bringt ‑ verpflichtet, dies zu tun. Der öffentliche Auftraggeber sei "gemäß § 122 GWB verpflichtet, Bescheinigungen über die Teilnahme an ordnungsgemäßen Präqualifikationssystemen als Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen zu akzeptieren. Durch sie wird die nahezu bei jeder Ausschreibung anfallende Prüfung bestimmter Eignungsnachweise vorweggenommen, sodass der Anbieter im Rahmen eines konkreten Vergabeverfahrens keine Einzelnachweise mehr besorgen und vorlegen muss. Bekräftigt werde dies insbesondere auch durch die Vorschrift des § 50 VgV. Das habe zur Folge, dass Bewerber bzw. Bieter die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Unterlagen nur insoweit beizubringen haben, als der öffentliche Auftraggeber sie u. a. nicht über eine kostenfreie Datenbank innerhalb der EU beiziehen könne. Dieser Grundsatz gilt generell für jegliche Anforderung von Eigenerklärungen oder sonstigen Unterlagen zum Zwecke der Prüfung der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen.

 

B habe seinem Angebot das AVPQ-Zertifikat mit den entsprechenden Zugangsdaten beigefügt. Dieses beinhaltete auch die Benennung von drei Referenzen, die alle von der Antragsgegnerin geforderten Angaben enthielten. Damit erwuchs vorliegend eine Verpflichtung des Auftraggebers zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Präqualifikationsunterlagen. Diese Verpflichtung spiegelt sich auch in § 48 Abs. 8 GWB , der eine im Einzelfall widerlegungspflichtige Eignungsvermutung statuiert. Auch die Tatsache, dass B seinen Angeboten eine weitere Liste mit Referenzen beigefügt habe, entlasse den Auftraggeber nicht aus dieser Verpflichtung. Die Bieter waren nicht daran gehindert, weitere Referenzen vorzulegen, um ihre Leistungsfähigkeit entsprechend zu dokumentieren. Dass die zusätzlich vorgelegte Referenzliste unstreitig nicht sämtliche geforderten Angaben enthielt, führte lediglich zu der Schlussfolgerung, dass diese isoliert zur Feststellung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin nicht herangezogen werden könne. Das Verlangen nach Referenzprojekten für vergleichbare Leistungen bedeute nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem ausgeschriebenen Auftrag identisch sein müsse. Nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben sei eine Referenzleistung vergleichbar mit der ausgeschriebenen Leistung, wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglicht.

 

Praxistipp:

Der öffentliche Auftraggeber muss Bescheinigungen über die Teilnahme an ordnungsgemäßen Präqualifizierungssystemen als Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptieren. Ein Bieter oder Bewerber ist von der Verpflichtung zur Vorlage ausdrücklich abgeforderter Unterlagen dann befreit, wenn der öffentliche Auftraggeber diese Unterlagen über eine für diesen kostenfreie Datenbank innerhalb der Europäischen Union, insbesondere im Rahmen eines Präqualifikationsverfahrens, erhalten kann.

Eine Referenzleistung ist vergleichbar mit der ausgeschriebenen Leistung, wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglicht. Ein Rügeerfordernis wird nicht ausgelöst, wenn im Bekanntmachungstext bei den Eignungskriterien Präqualifizierungssysteme nicht genannt werden.

 

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.06.2019, Az.: 1 VK LSA 30/18

Stand: Oktober 2019

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