VK Westfalen: Produktspezifische Ausschreibung aus ästhetischen Gründen

10.02.2023: Optische Erwägungen unterliegen der subjektiven Betrachtung. Eine Überprüfung durch eine Vergabekammer findet damit in Bezug auf die vorgebrachten Erwägungen auf Nachvollziehbarkeit statt.

 

 

Sachverhalt:

Ausgeschrieben waren Bodenbelagsarbeiten im Rahmen eines Neubaus eines Berufskollegs mit einem Gesamtvolumen von 40 Mio. Euro. Für die benötigten Kautschukböden ist ein bestimmtes Produkt in den Vergabeunterlagen benannt. Über dieses Produkt hatte eine Baukommission nach einer Bemusterung entschieden. Begründet ist die produktspezifische Ausschreibung in erster Linie mit der auf dem Markt einzigartigen Optik des Bodenfabrikats. Bieter B beanstandet dies als Verstoß gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung und wendet sich an die zuständige Vergabekammer: Er unterhält keine laufenden Geschäftsbeziehungen zum Lieferanten des ausgeschriebenen Fabrikats und kann deshalb kein besonders günstiges Angebot unterbreiten.

 

Beschluss:

Ohne Erfolg. Grundsätzlich besteht ein Leistungsbestimmungsrecht für den öffentlichen Auftraggeber. Das bedeutet, er ist bei der Entscheidung für eine bestimmte Leistung frei. Das Vergaberecht regelt nicht das „was“, sondern erst das „wie“, sobald ein Verfahren gestartet wird. Eine produktspezifische Ausschreibung ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Produktneutralität. Sie ist vergaberechtskonform, wenn der Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe in seiner Dokumentation darlegt und diese Bestimmung willkürfrei getroffen worden ist. Zudem müssen die Gründe tatsächlich vorhanden und nichtdiskriminierend sein. Der Auftraggeber hat einen Beurteilungsspielraum. Seine Entscheidung muss jedoch nachvollziehbar begründet sein. Vorliegend hat der Auftraggeber ausgeführt, dass der gewählte Bodenbelag im Rahmen der Bemusterung einen hochwertigeren Eindruck gemacht hätte als vergleichbare Bodenbeläge. Auch hält es die Vergabekammer für nachvollziehbar, dass sich der Bodenbelag in das gestalterische Gesamtkonzept einfügt.

 

Praxistipp:

Die Überprüfbarkeit von stark subjektiv geprägten Begründungen gestaltet sich immer schwierig. Deshalb kommt es – wie so oft – auf eine ausführliche Dokumentation in der Vergabeakte an. Damit lässt sich nachvollziehen, ob die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten wurden. Für potenzielle Bieter ist es sicherlich hilfreich, frühzeitig darüber informiert zu werden, wenn es auch auf das gestalterisches Gesamtkonzept ankommt.

 

VK Westfalen, Beschluss vom 16.03.2022, Az.: VK 2-7/22

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