OLG Frankfurt: Eignungskriterien: Auftraggeber müssen die Verhältnismäßigkeit beachten


Besonders hohe Anforderungen an die Eignung müssen durch gewichtige Gründe gerechtfertigt werden. Ein Begründungserfordernis besteht besonders dann, wenn der potenzielle Bieterkreis eng ist und hohe Eignungsschwellen Auswirkungen auf den Wettbewerb haben können.

Sachverhalt:
Ausgeschrieben waren im Rahmen eines EU-weiten Verfahrens der Einkauf und die Implementierung einer neuen Software im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorherigem Teilnahmewettbewerb.
Zum Nachweis der Eignung im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit waren u. a. die Vorlage von Bilanzen, Bonitätsnachweisen und die Darstellung der Umsatzentwicklung gefordert. Die technische und berufliche Leistungsfähigkeit war mit zwei Referenzen und der beruflichen Befähigung von zwei Projektleitern und zehn weiteren Mitarbeitern nachzuweisen. Diese Kriterien wurden jeweils mit Punkten bewertet, die je nach Zielerfüllungsgrad (niedrig/mittel/hoch) vergeben wurden. Insgesamt mussten zum Nachweis der Eignung mindestens 69 von 100 Punkten erreicht werden. Dies gelang Bewerber A mit seinem Teilnahmeantrag nicht. Er wurde ausgeschlossen. Er rügte daraufhin u. a., die Eignungsanforderungen als vergaberechtswidrig, da diese zu hoch angesetzt gewesen seien. Der Nachprüfungsantrag wurde von der Vergabekammer ohne Entscheidung in der Sache als unzulässig zurückgewiesen, da A seine Rügeobliegenheit gem. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB nicht erfüllt habe. Der gerügte Verstoß sei in den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen. Spätestens mit Anfertigung des Teilnahmeantrags, so die Vergabekammer, hätte A die Verstöße erkennen und rügen müssen.

Beschluss:
Das OLG Frankfurt entschied auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hin dagegen, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und in der Sache auch begründet sei. Es hielt die Eignungskriterien für nicht angemessen und unverhältnismäßig (§ 97 Abs. 1 Satz 2 GWB). Im vorliegenden Fall war die Bewertungsmethode so ausgestaltet, dass die Eignung nur nachgewiesen werden konnte, wenn die Kriterien im Schnitt besser als mit „MZG“, dem mittleren Zielerfüllungsgrad (50), bewertet wurden. Bieter mit guter Bonität und stabilen Umsätzen konnten jedoch nur den Grad „MZG“ erreichen und waren somit im Schnitt ungeeignet. Eine bessere Bewertung diesbezüglich war Unternehmen mit steigenden Umsätzen vorbehalten. Für das OLG Frankfurt war es nicht nachvollziehbar, warum ein Bieter mit gleichbleibender Umsatzentwicklung zur Durchführung eines langfristigen Auftrags nicht in der Lage sein sollte. Beim Nachweis der beruflichen Leistungsfähigkeit wurden bei Einhaltung der Mindestanforderungen 0 Punkte vergeben. Für die beste Bewertung wäre ein „deutliches Übertreffen“ der Mindestanforderungen erforderlich gewesen; ein Kriterium, welches laut OLG intransparent blieb.
Das Verfahren wurde zurückversetzt - der Auftraggeber muss seine Eignungskriterien neu aufstellen.

Praxistipp:
Die Anforderungen müssen zwar tatsächlich einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens bieten. Sie müssen jedoch auch im Verhältnis zum Auftragsgegenstand angemessen sein. Die Auswirkungen auf den Wettbewerb sind dabei in die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen. Entfalten sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung, weil nur ein einziges oder sehr wenige Unternehmen die Anforderungen erfüllen können, muss dies durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. März 2021 – 11 Verg 18/20

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