BayObLG: Wann sind Eignungsanforderungen unangemessen?

 

Der Auftraggeber hat vor Verfahrensbeginn seine Anforderungen an die Eignung sorgfältig, verhältnismäßig und mit Bezug zum Leistungsgegenstand auszuwählen. Wie so oft ist eine ausführliche Begründung wichtig.

 

Sachverhalt:

Ausgeschrieben waren Projektsteuerungsleistungen (Sanierung Museumsbau) in einem EU-weiten offenen Verfahren. Beauftragt werden sollte die Projektsteuerung mit Schnittstellenmanagement für das Gesamtprojekt sowie für das Teilprojekt Bau und das Teilprojekt Ausstellungen, das die Neugestaltung von fünf Einzelausstellungen umfasst.

Der öffentliche Auftraggeber (öAG) forderte mindestens zwei Referenzen über Projektsteuerungsleistungen bei Bauvorhaben mit Baukosten jeweils über mindestens 100 Mio. Euro und einer Leistungserbringungszeit von mindestens fünf Jahren. Zudem musste eines dieser zwei Referenzprojekte ein Sanierungsprojekt sein. Zusätzlich war mindestens eine Referenz zu benennen, die die Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen der Sanierung bzw. eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung von Schnittstellen zum Bauprojekt und dem Aus- und Einzug der Ausstellungsprojekte zum Gegenstand hatte. Die Projektstufe 4 musste bei den Referenzprojekten innerhalb der letzten 10 Jahre abgeschlossen worden sein.

 

Als weiterer Mindeststandard wurde die Beschäftigung von mindestens 80 Mitarbeitern, davon mindestens 50 Architekten und Bauingenieuren, gefordert. Bieter B rügte mit der Begründung, dass die Eignungsanforderungen überzogen seien.

 

Beschluss:

Mit Erfolg. Die vom öAG als Mindeststandard geforderte Referenz einer "Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen des Neubaus/der Sanierung/eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung der Schnittstelle zum Bauprojekt" verstößt gegen § 122 Abs. 4 GWB. Die Anforderungen sind unverhältnismäßig und stehen nicht ausreichend in Bezug zum Leistungsgegenstand.

 

Grundsätzlich steht dem öAG bei der Auswahl der Eignungskriterien ein Beurteilungsspielraum zu. Es dürfen jedoch nur Eignungskriterien aufgestellt werden, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu ihm in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Eignungskriterien müssen geeignet und erforderlich sein, um die Leistungsfähigkeit in Bezug auf den ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen. Besonders hohe Anforderungen können unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen sie erfüllen können. In einem solchen Fall ist es nötig, dass die Anforderungen durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sind und dies in der Dokumentation/Vergabeakte entsprechend dargelegt werden.

 

Vorliegend ist die Forderung nach Referenzen zu Projektsteuerungsleistungen bezüglich dreier Dauerausstellungen unter Berücksichtigung der damit notwendigerweise verbundenen Wettbewerbsbeschränkung unangemessen hoch. Die Zahl möglicher als Referenz in Betracht kommende Projekte wird dadurch deutlich eingeschränkt, dass es sich um die Neugestaltung von Dauerausstellungen handeln musste. Weshalb die Neugestaltung einer Dauerausstellung erforderlich sein soll, erschließt sich nicht. Die hohen Referenzanforderungen sind schon an sich geeignet, den Wettbewerb erheblich einzuschränken. Dabei ist ferner in einer Gesamtschau u. a. zu berücksichtigen, dass der AG als weitere Mindestanforderung zwei Referenzen über eine Projektsteuerung bei Bauvorhaben mit Baukosten über mindestens 100 Mio. Euro brutto forderte.

 

Praxistipp:

Der Beschluss macht deutlich, wann Eignungsanforderungen überzogen sind. Eine Gesamtschau der Kriterien ist im Einzelfall anzustellen. Je stärker der Markt beschränkt wird, desto ausführlicher bzw. substantiierter müssen die Gründe dafür nachvollziehbar dokumentiert sein.

 

BayObLG, Beschluss vom 06.09.2023, Az.: Verg 5/22

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