Vergabekammer Rheinland-Pfalz: Kein Wettbewerbsausschluss bei unzureichender Marktanalyse


Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erfordert das objektive Fehlen von Wettbewerb.

Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (AG) erteilte am 14.01.2022, ohne vorherige Bekanntmachung im Amtsblatt der EU, einen Auftrag über die Beschaffung, Lieferung, Installation und Inbetriebnahme einer Laserlithographieanlage.

 

In der Vergabeakte wurde ausgeführt, zwar seien vergleichbare Fabrikate und Ausführungen auf dem Markt, diese würden aber nicht in Betracht kommen. Die Beschaffung erfolgte zur Durchführung eines Dienst-, Lehr- und Forschungsbetriebes. Es gab weitere Vermerke, wonach das Gerät der Beigeladenen (BG) Alleinstellungsmerkmale aufweist. Die entsprechenden Patente hält die BG. „Die erforderliche Marktrecherche wurde durch den Bedarfsträger ausführlich durchgeführt. … Hierfür wurden Webseiten und Messen besucht wie auch persönliche Kontaktaufnahmen zu involvierten Wissenschaftlern durchgeführt. …

 

Mit Ex-post-Bekanntmachung vom 02.02.2022 wurde die Auftragsvergabe durch die AG europaweit bekannt gemacht. Danach wurde der Auftrag ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb vergeben. Die Leistung könne nur durch einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer ausgeführt werden.

 

Die Antragstellerin (ASt) rügte mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 04.02.2022 die Auftragsvergabe als vergaberechtswidrig. Die in der Bekanntmachung angeführten Alleinstellungsmerkmale lägen nicht vor. Der Rüge wurde nicht abgeholfen. Die AG reichte vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte am 03.03.2022 einen Nachprüfungsantrag ein.

Beschluss:
Mit Erfolg! Der am 14.01.2022 geschlossene Vertrag für ist für von Anfang an unwirksam zu erklären. Eine Anwendung von § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b VgV war nach Ansicht der Vergabekammer nicht gerechtfertigt. Die AG durfte den Auftrag nicht ohne vorherige Bekanntmachung im Amtsblatt der EU vergeben.

 

Dem Hinweis der AG, die ASt müsse den Nachweis erbringen, tatsächlich über eine Anlage zu verfügen, die die Anforderungen der AG erfülle, folgte die Vergabekammer nicht. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die ASt ein wettbewerbsfähiges Angebot hätte abgeben können. Die Leistungsfähigkeit war durch die ASt nicht nachzuweisen. Mangels ordnungsgemäßen Verfahrens wurden keine Eignungskriterien bekannt gemacht, Anforderungen an den Leistungsgegenstand wurden weder konkret noch verlässlich definiert.
Insgesamt waren die Aussagen der AG zu pauschal und unkonkret, um eine Anwendung der Ausnahmevorschrift zu rechtfertigen. Es muss objektiv an einem Wettbewerb fehlen. Die AG hat nicht angegeben, warum es ihr auf bestimmte Leistungsmerkmale insbesondere ankommt. Deren Ausführungen lassen zudem nicht erkennen, wer, wann und wie im Internet Recherchen zu welchen Alternativen durchgeführt hat. Die Nachweisführung des objektiven Fehlens von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene erfolgen. Die Anforderungen an den Umfang der anzustellenden Ermittlungen sind sehr hoch, bevor ausnahmsweise auf ein wettbewerbliches Verfahren verzichtet werden darf. Verlangt werden ernsthafte Nachforschungen auf europäischer Ebene bzw. die Beibringung stichhaltiger Beweise. Es muss anderen Wirtschaftsteilnehmern technisch nahezu unmöglich sein, die geforderte Leistung zu erbringen.

Ein Gespräch der AG mit der ASt über die dort verfügbaren Geräte fand erst nach Erteilung des Auftrags an die BG statt. Im Vergabevermerk hatte die AG selbst festgestellt, dass zwischen Herstellern von Laserlithographenanlagen grundsätzlich Wettbewerb herrscht. Die Schlussfolgerung ist, dass die AG sich vor Auftragserteilung nicht mit vorhandenen Alternativen auseinandergesetzt hatte. Die benannten Alleinstellungsmerkmale wurden ohne weitere Begründung als essenziell bezeichnet.  Zweckmäßigkeitsüberlegungen oder rein wirtschaftliche Vorteile im Falle der Leistungserbringung durch ein bestimmtes Unternehmen sind nicht ausreichend. Es genügt ebenfalls nicht, dass nach Einschätzung des AG ein bestimmter Anbieter Leistungen am besten erfüllen kann, um die Anwendung von § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b VgV zu begründen.
Dabei muss eine ordnungsgemäße Untersuchung des Marktes zwingend vor der Wahl des Verfahrens und der Entscheidung, ausschließlich ein Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern, erfolgen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hatte die AG nach Ansicht der Vergabekammer nicht nachgewiesen.
Der festgestellte Vergaberechtsverstoß konnte im Nachprüfungsverfahren nicht nachgeholt und geheilt werden.

Praxistipp:
Den Wettbewerb ein- oder beschränkende Ausnahmevorschriften sind stets eng auszulegen. Berufen sich öffentliche Auftraggeber auf das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen zur Beschränkung eines Wettbewerbs, ist dies stets mit hohen Anforderungen verbunden. Das Fehlen von Wettbewerb muss bei Berufung auf § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b VgV vollständig dargelegt werden. An die dafür notwendige Markterkundung werden beachtliche Forderungen gestellt.

Vergabekammer Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.12.2022, Az.: VK 1-4/22

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