OLG Frankfurt am Main: Mindestanforderungen für Nebenangebote

 

Lässt ein öffentlicher Auftraggeber Nebenangebote zu, muss er Mindestanforderungen festlegen, denen die Nebenangebote genügen müssen.

 

Sachverhalt:

Vergeben werden sollte ein Auftrag zur „Errichtung einer vollständig neuen Infrastruktur und öffentlichen Erschließung“. Varianten und Alternativangebote waren zulässig für die gesamte Leistung, allerdings nur in Verbindung mit einem Hauptangebot. In den Teilnahmebedingungen heißt es: „Nebenangebote müssen die geforderten Mindestanforderungen erfüllen. Dies ist mit der Angebotsabgabe nachzuweisen.“ Explizit waren in den Vergabeunterlagen aber keine Mindestanforderungen für Nebenangebote festgelegt.

 

Die Antragstellerin (ASt) gab 1 Haupt- und 3 Nebenangebote ab, die Beigeladene (Bg) 1 Haupt- und 1 Nebenangebot. Alle Nebenangebote reduzierten die mit den Hauptangeboten mitgeteilten Kosten. Ergebnis des Wertungsprozesses war, dass der Zuschlag auf das Angebot der Bg inkl. des Nebenangebots erteilt werden sollte. Der Antragstellerin könne der Zuschlag nicht erteilt werden, da ein wirtschaftlicheres Nebenangebot vorliege. Das Nebenangebot Nr. 1 der ASt könne wegen der Verwendung von nicht gewünschtem Recyclingmaterial, das Nebenangebot Nr. 3 aus gestalterischen Gründen nicht gewertet werden. Das Nebenangebot Nr. 2 genüge nicht, um zum wirtschaftlichsten Angebot zu gelangen.

 

Die Antragstellerin rügte die Entscheidung der Auftraggeberin, diese teilte mit, der Rüge nicht abhelfen zu wollen.

 

Im Nachprüfungsverfahren wurde der Antrag für teilweise unzulässig erklärt. Die Rüge der Antragstellerin, ihre Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 hätten berücksichtigt werden müssen, sei präkludiert. Bereits im Bietergespräch hatte sie Kenntnis davon erlangt, dass die AG ihre Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 nicht werten werde. Die Antragstellerin habe selbst vorgetragen, dass eine voraussichtliche Ablehnung thematisiert worden sei. Dies werde auch durch das Protokoll bestätigt, wonach zumindest eine vorläufige Entscheidung seitens der AG über die Nichtberücksichtigung der Nebenangebote 1 und 3 und die Gründe hierfür der ASt kommuniziert worden seien. Das Nebenangebot Nr. 1 der ASt sei uneindeutig. Es sei nicht eindeutig bestimmbar, ob die angebotene Leistung die Anforderungen des LV erfülle. Es sei nicht erkennbar, ob das angebotene Recycling-Material der geforderten „natürlichen Gesteinskörnung“ entspreche. Welche Art von Recycling-Material angeboten werde, sei auch nicht im Bietergespräch aufgeklärt worden. Hiergegen richtet sich die ASt mit der sofortigen Beschwerde.

 

Beschluss:

Mit Erfolg! Die Nichtwertung des Nebenangebots Nr. 1 der ASt war unzulässig. Der AG wurde aufgegeben, das streitgegenständliche Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Angebotswertung zurückzuversetzen und die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.

 

Keinen Erfolg hatte der hilfsweise erhobene Einwand, es seien lediglich die Hauptangebote zu werten, da die AG keine Mindestanforderungen aufgestellt habe. Das Nebenangebot Nr. 3 der ASt ist von der AG nicht zu berücksichtigen. Der Ausschluss des Nebenangebotes Nr. 1 erfolgte mit der Begründung, durch entsprechende Vorgaben im LV und in den Plänen seien konkludent Mindestanforderungen für Nebenangebote aufgestellt worden, denen das Nebenangebot nicht entspreche. Dies hätte die ASt jedoch bei laienhafter Wertung erkennen müssen. Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass von einem durchschnittlichen Wettbewerbsteilnehmer, insb. von den fachkundigen und vergabeerfahrenen Bietern, das Wissen darüber erwartet werden kann, dass für Nebenangebote Mindestanforderungen anzugeben sind, wenn allein der Preis über den Zuschlag entscheidet. Dennoch ist nicht anzunehmen, dass von fachkundigen und vergabeerfahrenen Bietern erwartet werden darf zu wissen, wie detailliert Mindestanforderungen bezeichnet sein müssen.

Der Vergabesenat hatte die Frage zu beantworten, ob bestimmte Vorgaben im Leistungsverzeichnis und den Plänen bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont dahin zu verstehen sind, dass sie Mindestanforderungen für Nebenangebote enthalten.

 

Praxistipp:

Werden in einem Vergabeverfahren Nebenangebote zugelassen, können diese nicht nur innovative sondern auch alternative Lösungsansätze enthalten. Bei Erstellung der Vergabeunterlagen ist darauf zu achten, diese Mindestanforderungen klar zu definieren und bekannt zu machen.

 

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.03.2022, 11 Verg 10/21

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