OLG Rostock: Nachforderung von Unterlagen und Gewährung von Nachlässen bei der Beschaffung von Arbeitsheften für den Schulunterricht

26.01.2023: Aus der bloßen Hervorhebung eines Nachweises in einer Aufzählung ergibt sich nicht unmissverständlich, dass dieser bereits mit dem Angebot vorgelegt werden muss.Preisnachlässe können auch für Sammelbestellungen von Arbeitsheften zu gewähren sein.

 

Sachverhalt:

Der Antragsgegner (AG) führte ein Offenes Verfahren zur Beschaffung von preisgebundenen Schulbüchern und Arbeitsheften für 15 Schulen an 17 Standorten in seinem Kreisgebiet durch. Das Verfahren umfasste 5 Lose, die Lose 2 und 4 betrafen die Lieferung von Arbeitsheften. Die Zuschlagserteilung war auf 1 Los je Bieter limitiert.

Die Parteien streiten über die Höhe des zu gewährenden achlasses gem. § 7 Abs. 3 Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) bei der Lieferung von Arbeitsheften sowie die Möglichkeit der Nachforderung eines Eigennachweises bzw. eines Gütesiegels zur Nachhaltigkeit.

Die Vergabe sollte ausschließlich an Bieter erfolgen, die bei Sammelbestellungen der Schulen den höchstzulässigen Nachlass gem. § 7 Abs. 3 Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) anbieten. Der Zuschlag erfolgte auf das wirtschaftlichste Angebot (Preis 50 %, Nachhaltigkeit 20 %, Beratung 15 %, Reklamation 15 %).

Auf eine Bieterfrage erklärte der AG, dass er sich als Schulträger mindestens bis Ende des Schuljahres 2022/23 das Eigentum an den Arbeitsheften vorbehalte. Die Gewährung eines Rabattes gem. § 7 Abs. 3 BuchPrG sei daher statthaft. Die Satzung des AG sieht vor, dass Eltern und volljährige Schüler für die Beschaffung von Gegenständen und Materialien zahlungspflichtig sind, wenn diese im Unterricht verarbeitet werden und danach bei Ihnen verbleiben.

Die Antragstellerin (ASt) rügte, dass die Forderung von Preisnachlässen für die Arbeitshefte (Lose 2 und 4) gegen § 7 Abs. 3 BuchPrG verstoße. Angebote zu allen 5 Losen wurden durch die ASt fristgemäß eingereicht, einen geforderten Eigennachweis bzw. ein Gütesiegel zur Nachhaltigkeit legte sie jedoch nicht vor.  Der AG wies die Rüge der ASt zurück.

Mit Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer macht die ASt geltend, dass die geforderten Preisnachlässe gegen den vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz verstoßen, da dieser zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichte. Der AG beschaffe die Arbeitshefte nicht zu seinem Eigentum i.S. von § 7 Abs. 3 BuchPrG. Das Eigentum müsse von gewisser Dauer sein und dürfe nicht nur vorübergehend erworben werden. Die Finanzierung erfolge über die satzungsgemäßen Kostenbeiträge der Eltern bzw. Schüler, die durch Übergabe dauerhaft das Eigentum an den Arbeitsheften erlangten.

Der AG trägt vor, es fehle an der Antragsbefugnis, weil das Angebot der AG wegen des fehlenden Eigennachweises bzw. Gütesiegels nicht zuschlagsfähig sei. Zwölf weitere Bieter hatten alle geforderten Nachweise und Erklärungen eingereicht und jeweils die volle Punktzahl erhalten.

Die Vergabekammer weist den Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung zurück.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wendet sich die ASt mit sofortiger Beschwerde. Der AG habe der AG zu Unrecht wegen des Fehlens einer Eigenerklärung bzw. eines entsprechenden Gütesiegels als so genanntem Nachhaltigkeitsnachweis bei den Zuschlagskriterien 20 % der möglichen Wertungspunkte abgezogen.  Aus den Vergabeunterlagen gehe an keiner Stelle hervor, dass der Beleg mit dem Angebot einzureichen sei. Fehlt eine solche Forderung oder ist sie unklar, darf der Auftraggeber die Nichtvorlage des Nachweises nicht zum Nachteil des Bieters werten. Zudem macht die ASt eine Rechtsverletzung geltend, da der geforderte Preisnachlass für die Lieferung der Arbeitshefte unzulässig sei.

 

Entscheidung:

Mit Teilerfolg! Das Vergabeverfahren war in den Stand vor Beginn der Angebotswertung zurückzuversetzen, wobei der Antragsgegner der Antragstellerin Gelegenheit zur Vorlage eines Eigennachweises bzw. Gütesiegels als Beleg für ressourceneinsparende, nachhaltige oder umweltschonende Verpackung oder Lieferung zu geben hatte. In diesem Punkt ist das Gericht der Argumentation der ASt gefolgt.

Hinsichtlich der Absicht des „dauerhaften“ Eigentumserwerbs durch die öffentliche Hand in Bezug auf Möglichkeit der Gewährung eines Nachlasses orientiert sich das Gericht am Gesetzestext von § 7 Abs. 3 BuchPrG.  Es handelt sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Ein bloßer Zwischenerwerb der Arbeitshefte zur kurzfristigen Weiterveräußerung fiele nicht unter § 7 Abs. 3 BuchPrG. Der zu bestimmende Zeitraum habe sich an der Dauer einer Verwendbarkeit der Arbeitshefte zu orientieren. Die ASt selbst geht davon aus, dass diese nach einem Schuljahr durchgearbeitet sind. Die nochmalige Ausgabe in einer Nachfolgeklasse ist durch die Eintragungen kaum zweckmäßig. Es macht für die Annahme eines „dauerhaften“ Eigentumserwerbes aber keinen Unterschied, ob der AG die Arbeitshefte nach Ablauf des Schuljahres mangels weiterer Nutzbarkeit den Schülern überlässt oder sie einem Entsorger übergibt. Die Konsequenz wäre, dass der AG die Arbeitshefte nach „Verbrauch“ langfristig archiviert, allein um in den Genuss der Preisnachlässe zu kommen. Solche eine Anforderung ist den zivilrechtlichen Regelungen über einen Eigentumserwerb aber gänzlich fremd.

 

Praxistipp:

Vergabeunterlagen sind immer so klar und eindeutig zu formulieren, dass Widersprüche vermieden werden. Werden vorformulierte Vergabeunterlagen verwendet, ist zu prüfen, ob diese den Anforderungen genügen. Maßgeblich ist dabei der Empfängerhorizont der potenziellen Bieter.

 

OLG Rostock, Beschluss vom 01.09.2022, Az.:17 Verg 2/22

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