OLG Celle: Unterhalb der Schwellenwerte ist keine Vorabinformation notwendig


19.06.2020: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Unterschwellenbereich besteht keine generelle Informations- und Wartepflicht entsprechend § 134 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Sachverhalt:

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Leistungen der sozialen Schuldnerberatung öffentlich aus. Bieter A gab neben weiteren Bietern ein Angebot ab. Den Angebotspreis stellte er allerdings unter den Vorbehalt einer Weiterfinanzierung über das Jahr 2019 hinaus, weshalb der Auftraggeber das Angebot im Laufe des Vergabeverfahrens ausschloss. Kurz nach Angebotsabgabe forderte A den Auftraggeber zur Sachstandsmitteilung auf und bat um Bestätigung, dass er vor der Zuschlagserteilung über die Auswahl des erfolgreichen Bieters informiert und eine angemessene Frist bis zum Vertragsschluss abgewartet werde. Der Auftraggeber lehnte das Bestehen einer solchen Informations- und Wartepflicht ausdrücklich ab und erteilte Bieter Z den Zuschlag. Dagegen ging Bieter A vor.

Beschluss:

Ohne Erfolg. A steht kein Anspruch auf Untersagung des Vertragsvollzuges wegen angeblicher Nichtigkeit des Vertrages zu. Im Unterschwellenbereich besteht keine allgemeine Informations- und Wartepflicht, die der Auftraggeber hier verletzt haben könnte. § 19 VOL/A bzw. § 46 UVgO sehen lediglich vor, dass der Auftraggeber die nicht berücksichtigten Bieter nachträglich über die bereits erfolgte Zuschlagserteilung informieren muss. Anders als in einigen anderen Bundesländern (z.B. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) existierte zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt in Niedersachen (noch) keine mit § 134 Abs. 1 GWB vergleichbare Bestimmung im Landesvergaberecht. Eine entsprechende (analoge) Anwendung des § 134 GWB scheidet mangels einer „planwidrigen Regelungslücke“ aus. Denn bei der Neuregelung der UVgO wurde die Problematik der Informations- und Wartepflicht im Unterschwellenbereich erkannt, diskutiert und eine solche Pflicht abgelehnt. Bei fehlender Binnenmarktrelevanz des ausgeschriebenen Auftrags ergibt sich auch aus dem Europarecht keine Informations- und Wartepflicht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Informations- und Wartepflicht bei Beförderungsentscheidungen im Beamten- und Richterrecht ist auf die Vergabe von Aufträgen nicht übertragbar, weil es hier nicht um Ausübung öffentlicher Gewalt geht. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 13.6.2006, 1 BvR 1160/03) die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung einer Informations- und Wartepflicht im Unterschwellenbereich ausdrücklich verneint.

Praxistipp:

Mit dieser Entscheidung hat das OLG Celle der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf widersprochen. Dieses hatte mit Urteil vom 13.12.2017 (27 U 25/17) – wenn auch nur am Rande – das Bestehen einer solchen Pflicht bejaht. Zu beachten ist, dass in Niedersachsen seit dem 01.01.2020 eine Informations- und Wartepflicht in § 16 NTVergG ausdrücklich geregelt ist.

OLG Celle, Urteil vom 09.01.2020, Az: 13 W 56/19

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