OLG Frankfurt am Main: Schadenersatz wegen Verletzung der Informationspflicht


Ein Feststellungsantrag kann zu einer Schadenersatzpflicht bei einem Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 134 GWB führen.

Sachverhalt:
Ausgeschrieben war ein Dienstleistungsauftrag nach SGB II und SGB III im Rahmen von Coachingleistungen für Sozialhilfeempfänger im Unterschwellenbereich. Als Zuschlagskriterien waren 30% der Preis (Monatspreis pro Maßnahmenplatz) und 70% die Qualität des Dienstleistungskonzepts gesetzt. Bieter B gab mit 1,6 Mio. EUR das teuerste von drei Angeboten ab. Der öffentliche Auftraggeber (öAG) erteilte Bieter A den Zuschlag. B wurde darüber erst 2 Wochen später informiert. Nach Akteneinsicht rügte B u. a. Dokumentationsmängel des öAG. Er rügte ferner, dass bei der Wertung der Konzepte andere Kriterien als ursprünglich ausgeschrieben herangezogen wurden. Der öAG habe bei der Wertung mit "Checklisten" gearbeitet, wonach in den Vergabeunterlagen nicht enthaltene Unterkriterien verwendet wurden. Die Vergabekammer hatte festgestellt, dass der erteilte Zuschlag wegen nicht rechtzeitiger Vorabinformation unwirksam sei und die anderen Angebote aufzuklären seien. Daraufhin wurde seitens des öAG und Bieter A sofortige Beschwerde eingelegt. Bieter B trat in dieser Zeit in die Insolvenz. Nach Aufklärung, ob und wie er bei Beauftragung den Vertrag erfüllen werde, schloss der öAG das Angebot des nach Angebotsabgabe insolvent gewordenen B aus, was dieser hinnahm. Weil er aber bei Angebotsabgabe vollumfänglich geeignet gewesen sei, treffe ihn an der Erledigung des Verfahrens kein Verschulden. Er beantragt nun die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verfahrens, um Schadensersatz fordern zu können.

Beschluss:
Das OLG Frankfurt gibt dem Feststellungsantrag des B statt, denn der Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 134 GWB verletzt B in seinen Rechten, verursacht aber noch keinen Schaden. Indes habe der öAG die von den Bietern vorzulegenden Konzepte nicht wie ausgeschrieben, sondern anhand von zusätzlichen, später in seinen "Checklisten" zur qualitativen Bewertung enthaltenen Unterkriterien geprüft, die B weder aus den Bewerbungsbedingungen noch aus der Leistungsbeschreibung bekannt sein mussten. Ob B bei richtiger Wertung den Zuschlag hätte erhalten müssen, blieb jedoch unsicher, sodass nur das negative Interesse geltend gemacht werden kann. Auch der Dokumentationsmangel ist erheblich. Der umfangreiche Kriterienkatalog erforderte es, dass der öAG alle für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen so eingehend dokumentiert, dass die konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit ihrem Gewicht für die Benotung klar erkennbar werden, weil sonst die jeweiligen Noten nicht nachvollziehbar und plausibel sind.

Praxistipp:
Das Verfahren vor der Vergabekammer dauerte über 12 Monate. Ein effektiver Rechtsschutz ist bei einer solch langen Verfahrensdauer schwer möglich. Wichtig ist wie immer, dass ausführlich dokumentiert wird. Eine Bewertung nachzuholen, wenn dabei Ermessenentscheidungen zu treffen sind, ist unzulässig.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom Datum 22.09.2020 (Az.: 11 Verg 7/20)
 

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