OLG Rostock: Nachforderung von Unterlagen trotz Bestimmung eines in der Vergangenheit liegenden Vorlagezeitpunktes

 

Sachverhalt:

Ausgeschrieben war in einem europaweiten offenen Verfahren eine dezentrale Schmutzwasserbeseitigung für zwei Jahre mit zweijähriger Verlängerungsoption. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Antragstellerin sowie die Beigeladene gaben Angebote ab, die Antragstellerin zusätzlich ein Nebenangebot. Den Zuschlag erhielt die Beigeladene, drei Tage später erhielt die Antragstellerin eine negative Vorabinformation. Die Antragstellerin rügte zwei Vergabeverstöße. Zum einen sei das Hauptangebot der Beigeladenen als spekulatives oder Unterkostenangebot nicht berücksichtigungsfähig, zum anderen unterrichtete das Informationsschreiben nicht über den frühesten Zeitpunkt der Vergabe und der Zuschlag wurde vor Ablauf der 15-tägigen Wartefrist erteilt. Der Antragsgegner und die Beigeladene vereinbarten die Vertragsaufhebung. Am Folgetag teilte der Antragsgegner dies der Antragstellerin mit. Unter Wiederholung der Rügen reichte die Antragstellerin unverzüglich einen Nachprüfungsantrag ein.


Der Antragsgegner leitete ein neues Vergabeverfahren, lies dieses Mal aber Nebenangebote nicht zu. Zudem fanden sich einzelne Abweichungen in der Leistungsbeschreibung. Die 2. Vergabekammer M-V hatte den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen, da dieser voreilig gestellt und deshalb mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sei. Gegen diesen Beschluss legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein. Ziel ist eine Wiederholung der Wertung des ersten Vergabeverfahrens. Im Beschwerdeverfahren wurde der Antragstellerin Akteneinsicht in Teile der Vergabeakte gewährt. Danach beanstandete die Antragstellerin weiter, das Angebot der Beigeladenen hätte ausgeschlossen werden müssen. Die in der Ausschreibung geforderten Unterlagen waren dem Angebot nicht beigefügt und wurden später nachgereicht. Die Beanstandung folgte der Auffassung, die Nachforderung sei gem. § 56 Abs. 3 VgV ausgeschlossen gewesen. Der Antragsgegner hatte in der Ausschreibung „mit dem Angebot einzureichen“ formuliert. So hatte er sein Ermessen bereits ausgeübt und sich festgelegt.

 

Beschluss:

Ohne Erfolg! Das Angebot der Beigeladenen war nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV als unvollständig auszuschließen. Die nachgeforderten Unterlagen waren nicht auf die zu erbringende Leistung, sondern auf das Unternehmen bezogen und dienten der Eignungsprüfung. Einen Einfluss auf die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Angebots hatten die nachgeforderten Unterlagen nicht. Der Auftraggeber kann gem. § 56 Abs. 2 S. 2 VgV sein Ermessen bereits mit der Ausschreibung auf Null reduzieren und eine Nachforderung ausschließen. In diesem Fall ist dies jedoch nicht erfolgt. Als Beispiele für Formulierungen für einen Ausschluss von Nachforderungen nennt das Gericht: „Erklärungen und Nachweise werden in keinem Fall nachgefordert“, „Unterlagen und Erklärungen sind zwingend vorzulegen“ und „Angebote, die die geforderten Voraussetzungen nicht aufweisen, werden ausgeschlossen“. Gleichermaßen bestimmte Erklärungen stellen die Formulierungen „mit dem Angebot einzureichen“ und „mit der Angebotsabgabe“ nicht dar.

 

Praxistipp:

Die Nachforderung von Unterlagen sollte grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Zur Vermeidung von Unsicherheiten ist zudem auf die Angabe von Vorlagezeitpunkten zu verzichten.

 

OLG Rostock, Beschluss vom 06.02.2019, Az.: 17 Verg 6/18

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