VK Baden-Württemberg‎: Aussage während Präsentation auf „Bindung an Recht und Gesetz“ darf nicht zu einer schlechten Bewertung ‎führen

 

Eine Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind, darf Bewerbern nicht negativ ausgelegt werden.

 

Sachverhalt:

EU-weit ausgeschrieben war eine Rahmenvereinbarung über Unterstützungsleistungen der Vergabestelle bei komplexen Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Grundlagen von GWB, VgV und UVgO. In der Bekanntmachung wurde deutlich gemacht, dass es nicht um Rechtsberatungsleistungen, sondern um eine technische Verfahrensbetreuung geht. Die Vergabestelle verwendet als Zuschlagskriterium die einfache Richtwertmethode (Z = L/P) und führt mit drei Bietern mit der höchsten Wertungskennzahl Z Bietergespräche. Die Präsentationsgespräche sollten den Ausschlag über das Ranking der drei Besten geben. In den Gesprächen sollten die Bewerber Ad-hoc-Aufgaben bearbeiten und präsentieren. Gewertet wurde die soziale Kompetenz anhand der Kriterien Rhetorik, Einfühlungsvermögen und Team- und Konfliktfähigkeit. Eine zweiköpfige Jury des öffentlichen Auftraggebers bewertet die Präsentationen. Ein unterlegener Bieter (B) fühlte sich in der Wertung benachteiligt und wandte sich an die zuständige Vergabekammer.

 

Beschluss:

Mit Erfolg. Die Ad-hoc-Beantwortung offener Fragen sei geeignet, die Qualifikation des eingesetzten Personals zu bewerten. Allerdings dürfe der öffentliche Auftraggeber eine Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind, nicht negativ bewerten, denn die Exekutive sei an Recht und Gesetz gebunden, das seien sonst sachfremde Erwägungen. Ist der Inhalt der Ad-hoc-Fragerunde strittig und fehlt es an einer entsprechenden umfassenden Protokollierung, liegt ein Dokumentationsmangel vor, der die Vergabekammer nicht in die Lage versetzt, den streitigen Vortrag zu überprüfen.

 

Praxistipp:

Eine Aussage darüber, dass "vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind", darf Bewerbern im Rahmen eines Präsentationstermins nicht negativ ausgelegt werden. Dies wären sachfremde Erwägungen, die zu einer ungerechten Beurteilung führen würden. Ad-hoc-Fragestellungen sind ein zulässiges Mittel, um die Qualifikation des eingesetzten Personals anhand der bekannt gemachten Kriterien zu bewerten. Äußerst relevant ist wie so oft eine ausführliche Dokumentation. Ist der Inhalt der Fragerunde strittig, liegt ein Dokumentationsmangel vor, wenn keine umfassende Protokollierung über den genauen Ablauf des Termins stattfindet.

 

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.08.2021 (Az.: 1 VK 37/21)

 

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