VK Bund: Fristenberechnung der Vorabinformation nach § 134 GWB: § 193 BGB findet keine Anwendung


24.08.2021: Die Vorschrift des § 193 BGB, wonach an die Stelle eines Samstags, Sonntags oder Feiertags der nächste Werktag tritt, wenn eine Willenserklärung innerhalb einer Frist abzugeben ist und der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, findet auf eine Vorabinformation nach § 134 Abs. 1, 2 GWB keine Anwendung.

 

Sachverhalt:

In einem EU-weiten elektronischen Verfahren wurde der Abschluss eines Rahmenvertrages ausgeschrieben. Die Antragstellerin gab ein Angebot ab. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin am 10.06.2021 auf elektronischem Wege gemäß § 134 GWB mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag nach Ablauf der in § 134 Abs. 2 GWB genannten Frist (10 Kalendertage) auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Frühestens werde der Vertragsschluss am Montag, dem 21.06.2021 erfolgen.

Diese Entscheidung rügte der Verfahrensbevollmächtigt der Antragstellerin mit Schreiben vom 15.06.2021. Die Antragsgegnerin lehnte es mit Schreiben vom 18.06.2021 ab, der Rüge abzuhelfen. Am Morgen des 21.06.2021 um 07:52 Uhr wurde der Beigeladenen über die für das Vergabeverfahren genutzte e-Vergabe-Plattform der Zuschlag erteilt. Die Antragstellerin informierte die Antragsgegnerin am 21.06.2021 um 10:00 Uhr mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten über die beabsichtigte Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Weiter teilte sie der Antragsgegnerin mit, sie habe die Zuschlagserteilung ab Kenntnis von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu unterlassen. Eine Zuschlagserteilung am 21.06. 2021 käme nicht in Betracht, weil die im Vorabinformationsschreiben genannte Frist von 10 Kalendertagen erst am 22.06.2021 ablaufe.

Die Antragstellerin beantragte die Einleitung eines Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer des Bundes per Telefax am Montag, dem 21.06.2021 zwischen 12:24 Uhr und 12:34 Uhr. Der Schriftsatz wurde durch die Vergabekammer an die Antragsgegnerin weitergeleitet, ebenfalls per Telefax, am 21.06.2021 um 14:51 Uhr. Telefonisch wurde die Vergabekammer informiert, dass der Auftrag im Zeitpunkt des Eingangs des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer bereits erteilt war. Mit kurzer Rückäußerungsfrist wies die Vergabekammer die Antragstellerin auf die evtl. fehlende Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrages hin, nachdem der Zuschlag bereits erteilt wurde.
Die Antragstellerin war der Ansicht, die Antragsgegnerin habe den Zuschlag nicht am Montag, dem 21.06.2021 erteilen dürfen, weil die Frist von 10 Kalendertagen nach § 134 Abs. 2 GWB erst am 22.06.2021 abgelaufen wäre. Das Fristende fiel auf Sonntag, den 20.06.2021. Das Fristende fällt nach § 193 BGB somit auf den folgenden Werktag, Montag, den 21.06.2021, § 134 Abs. 2 GWB sei eine Schutzfrist zu Gunsten der Bieter, nicht aber der Auftraggeber. Der Zuschlag sei somit frühestens ab dem 22.06.2021 möglich gewesen. Der nach Ansicht der Antragstellerin vorzeitige Zuschlag, sei daher unwirksam.


Beschluss:

Die Zuschlagserteilung an die Beigeladene ist wirksam erfolgt, der Nachprüfungsantrag somit nicht statthaft. Der wirksam erteilte Zuschlag kann nicht aufgehoben werden. Durch die elektronisch übermittelte Vorabinformation nach § 134 GWB vom 10.06.2021 wurde die zu beachtende Frist von 10 Kalendertagen in Gang gesetzt. Die Frist lief damit am Sonntag, 20.06.2021 ab, da diese rein nach Kalendertagen zu bemessen ist. Der erst um 12:34 Uhr – und damit nach Zuschlagserteilung – an diesem Tag bei der Vergabekammer eingegangene Nachprüfungsantrag konnte das Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB nicht mehr auslösen.

Eine Verschiebung des Fristendes findet keine Anwendung. Bei der Frist nach § 134 Abs. 2 GWB handelt es sich um eine rein nach Kalendertagen zu bemessende Wartefrist („Stillhaltefrist“ gem. Art. 2 a Richtlinie 2007/66/EG) für den öffentlichen Auftraggeber, nicht aber um eine Frist, binnen derer eine Willenserklärungen abzugeben oder Leistungen zu bewirken ist. Somit findet § 193 BGB keine Anwendung.

 

Praxistipp:

Sowohl Bieter als auch öffentliche Auftraggeber sollten beachten, dass bei entsprechenden Fristläufen eine Zuschlagserteilung am Montagmorgen, am Folgetag eines Feiertags oder sogar an einem Sonntag möglich ist.

 

VK Bund, Beschluss vom 28.06.2021, VK 2-77/21

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