VK Bund: Widersprüchliche Preisangaben kein Fall der Aufklärung


Lassen sich die vom Bieter angebotenen Preise nicht zweifelsfrei ermitteln, weil die Eintragungen im Leistungsverzeichnis nicht denen des Angebotsblatts entsprechen, fehlen im Angebot die erforderlichen Preisangaben.

 

Sachverhalt:

Mit dem Angebot einzureichen hatten die Bieter das ausgefüllte Leistungsverzeichnis sowie ein ebenfalls auszufüllendes "Preisblatt", welches Bezug auf die entsprechenden Ziffern 1 bis 5 des Leistungsverzeichnisses nimmt. Bieter A reicht das mit Preisangaben ausgefüllte Leistungsverzeichnis mit Datum vom 18.11.2020 ein. Beigefügt ist ferner das Preisblatt mit Datum vom 20.10.2020. Die dort eingetragenen Preise weichen von den Preisangaben im Leistungsverzeichnis überwiegend ab. A wird wegen fehlender Preisangaben mit seinem Angebot ausgeschlossen und stellt nach erfolgloser Rüge einen Nachprüfungsantrag.

 

Beschluss:

Ohne Erfolg! Der tatsächlich gemeinte - von A gewollte - Preis kann hier durch Auslegung des Angebotsinhalts nicht eindeutig ermittelt werden. Zwar ist die Erhaltung eines möglichst umfassenden Wettbewerbs erklärtes Ziel der jüngsten Vergaberechtsmodernisierung gewesen. So soll die Anzahl der am Wettbewerb teilnehmenden Angebote wegen an sich vermeidbarer, nicht gravierender formaler Mängel nicht unnötig reduziert werden (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2019).

 

Ein Fall, wie ihn der BGH entschieden hat, ist hier allerdings nicht gegeben: Ein bloßes Missverständnis des Antragstellers über die Geltung bestimmter Teile seines Angebots (beispielsweise eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen) ist hier nicht feststellbar. Durch eine reine Auslegung des Angebots ist nicht zweifelsfrei ermittelbar, welche Preise die letztgültigen sein sollen, auf die der Zuschlag ergehen könnte. Beide Unterlagen enthalten unterschiedliche Datumsangaben und sind als unterschiedliche Dateien im Rahmen des elektronisch geführten Vergabeverfahrens auf die Plattform hochgeladen worden.

 

A verweist zwar darauf, dass aufgrund des Datums der Erklärungen das spätere mit Datum vom 18.11.2020 ausgefüllte Leistungsverzeichnis letztverbindlich sein soll, nicht aber das Preisblatt vom 20.10.2020. Allerdings ist das von A geltend gemachte bloße technische Versehen des Hochladens einer alten Version des Angebotsvordrucks nicht so eindeutig, wie er meint. Ob das später datierende Leistungsverzeichnis die angebotenen Preise abbildet und der Angebotsvordruck somit obsolet ist, kann nicht einfach aufgrund des Datums angenommen werden. Für die Vergabestelle ist ohne weitere Nachforschung nicht zweifelsfrei erkennbar, welche Preisangaben zum Angebotsabgabetermin verbindlich angeboten wurden. Die Vergabestelle kann die Widersprüchlichkeit der Angaben aber nicht durch Nachforschungen bei A selbst beseitigen. Die Grenze der Auslegung einer Willenserklärung ist erreicht, wenn der Auftraggeber Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter anstellen müsste. Der Bieter hätte es sonst in der Hand, den angebotenen Preis nachträglich gegen einen anderen auszutauschen.

 

Praxistipp:

Eine Aufklärung ist hier deshalb nicht möglich, da der betreffende Bieter die Möglichkeit hätte, „nachzuverhandeln“ bzw. sein Angebot zu verbessern. Dies wäre ein klarer Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot.

 

VK Bund, Beschluss vom 12.03.2021 Az.: VK 1-20/21

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