VK Bund: Angebotsausschluss wegen verweigerter Aufklärung zur Eignung


Verweigert ein Bieter in einem offenen Verfahren die vom öffentlichen Auftraggeber (AG) geforderte Aufklärung zum Umsatz durch Jahresabschlüsse mit Gewinn- und Verlustrechnung, ist sein Angebot zwingend auszuschließen.

Sachverhalt:
Der AG schrieb im Rahmen eines offenen Verfahrens Bauleistungen in zwei Losen aus. Zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit verlangte der AG u.a. Folgendes: „Nachweis Umsatz der letzten 3 Geschäftsjahre (2016-2018). Als Mindestanforderung muss ein durchschnittlicher Mindestumsatz je Geschäftsjahr, in Höhe von 4 Millionen Euro brutto, je Los nachgewiesen werden. Bei einer Bewerbung auf beide Lose ergibt sich der doppelte Mindestumsatz.“

Bieter A (späterer Antragssteller) sowie Bieter B und ein weiterer Bieter gaben Angebote ab. Nach Angebotsprüfung wurde Bieter A informiert, dass der Zuschlag auf das Angebot des Bieters B erfolgen solle. Bieter A rügte diese Entscheidung mit der Begründung, dass nach einer von ihm über Bieter B eingeholten Auskunft der Creditreform Berlin dieser nicht die verlangten Umsatzziele erreicht habe. Daraufhin prüfte der AG intern die Angaben zu Bieter B im Unternehmensregister und nahm diese und die Daten der Creditreform sowie die in einem früheren Vergabeverfahren von Bieter B mitgeteilten Umsatzzahlen zum Anlass, eine Aufklärung bei Bieter B zu veranlassen, da er insofern einen Widerspruch zu den Angaben des Bieters B im vorliegenden Verfahren sah.  Bieter B wurde aufgefordert, die Jahresabschlüsse mit Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) für die Jahre 2016, 2017 und 2018 vorzulegen. Bieter B verwies auf die mit seinem Angebot bereits übermittelten Angaben und Auskünfte seines Steuerberaters und lehnte die Vorlage der GuV ab.

Der AG schloss das Angebot des Bieters B jedoch nicht aus und hielt an seiner Zuschlagsentscheidung fest. Bieter A stellte nach erfolgloser Rüge wegen weiterer Vergaberechtsverstöße einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer.

Beschluss:
Mit Erfolg! Das Angebots des Bieters B wäre nach § 15 Abs. 2 VOB/A-EU zwingend – ohne Ermessen des AG – auszuschließen gewesen, da dieser nicht die seitens des AG zulässigerweise geforderte Aufklärung betrieben habe. Die Voraussetzungen für eine Aufklärung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU hätten vorgelegen. Danach dürfe der AG in einem offenen Verfahren nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagerteilung von einem Bieter Aufklärung verlangen, um sich u.a. über seine Eignung zu unterrichten. Davon umfasst seien alle Aspekte der Eignung, mithin auch die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit. Die Aufklärung sei vorliegend sachgemäß und verhältnismäßig erfolgt. Die Zahlen der Creditreform seien für den AG ein sachlicher Anhaltspunkt gewesen, die Zahlen für den Bieter B im Unternehmensregister zu überprüfen. Bereits die aus den Vorverfahren bekannten Umsatzangaben, die erheblich niedriger waren als die im streitgegenständlichen Verfahren angegebenen, hätten bei dem AG gerade nicht zu der Annahme führen müssen, die Umsatzangaben des Bieters B seien für die streitgegenständlichen Lose gleichsam erfüllt. Die geforderten Jahresabschlüsse mit GuV seien ein geeignetes Instrument zur Aufklärung von Umsatzangaben, da § 6a Nr. 2 lit. b) VOB/A-EU die Vorlage von Jahresabschlüssen als Eignungsnachweis vorsehe.

Aus der verweigerten Aufklärung folge, dass die Eignungsprognose des AG für den Bieter B fehlerhaft gewesen sei, weil es an einer verlässlichen Tatsachengrundlage fehlte, um zu beurteilen, ob Bieter B tatsächlich die geforderten Umsätze erzielt habe. Der AG habe insofern im Ergebnis die Eignung des Bieters B auf einer nicht belastbaren Grundlage bejaht.

Praxistipp:
Bieter sollten im eigenen Interesse Aufklärungsersuchen der öffentlichen Auftraggeber sorgfältig prüfen und bearbeiten. Wie vorliegend, kann dies auch Nachweise umfassen, die über die in der Auftragsbekanntmachung geforderten hinausgehen. Auftraggeber können Informationen aus Vorverfahren nutzen und sollten bei berechtigtem Aufklärungsbedarf alle geeigneten Aufklärungsmittel unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit in aller Konsequenz nutzen. Die Eignung eines Bieters darf nur auf belastbaren Grundlagen bejaht werden.

VK Bund, Beschluss vom 27.05.2020, VK 2 - 21/20

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