Hessen: Ausbleibende Angebote, überhöhte Angebotssummen ‎


14.09.2018: Öffentliche Auftraggeber stehen aktuell nicht selten in der Situation, dass sie auf eine Ausschreibung hin keine Bewerbungen oder Angebote erhalten bzw. eingegangene Angebote weit über den kalkulierten Auftragswert liegen. Wie ist praktisch mit der Situation umzugehen und welche Möglichkeiten bestehen in Hessen rechtlich?


Grundsätzlich besteht der Beschaffungswille der Vergabestelle weiter fort, sodass eine Aufhebung der Ausschreibung zwar rechtlich möglich, aber nicht praxistauglich ist. Der öffentliche Aufraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ein Verfahren mit einem Zuschlag zu beenden. Da es sich bei der Beschaffung öffentlicher Aufträge in erster Linie um Privatrecht handelt, gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit auch für den öffentlichen Auftraggeber. Dieser kann von seinem Beschaffungsvorhaben jederzeit wieder Abstand nehmen, wenn er die beabsichtigte Leistung doch nicht mehr benötigt. Eine Aufhebung ist auch möglich, wenn kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde (z. B. weil das zur Verfügung stehende Budget weit überschritten wurde, bei ordnungsgemäßer Kalkulation). Möglich wäre weiterhin, das Verfahren aufzuheben wegen einer Änderung der zu beschaffenden Leistung (beispielsweise eine Reduzierung der Menge, um zumindest teilweise die gewünschte Leistungserfüllung zu erreichen). Die Vergabeunterlagen werden in diesem Fall entsprechend angepasst und ein neues Verfahren gestartet.

 

In vielen Fällen besteht der Beschaffungswille jedoch vollumfänglich weiter fort, sodass eine Aufhebung nicht das geeignete Mittel ist. Nach den für den Unterschwellenbereich geltenden Regeln in Hessen ist ein Wechsel in die nächste Verfahrensart möglich. Auch kann auf ein Interessenbekundungsverfahren verzichtet werden, wenn dies im Vorfeld ordnungsgemäß durchgeführt worden ist und eine Wiederholung keinen Erfolg verspricht. Aufgrund des hohen Schwellenwertes in Hessen ist die Durchführung eines Vergabeverfahrens im Rahmen einer Freihändigen Vergabe in allen Leistungsbereichen bis 100.000 EUR netto kalkulierter Auftragswert möglich. § 10 Abs. 3 HVTG, i. V. m. Nr. 1.3 des Gemeinsamen Runderlasses für das öffentliche Beschaffungswesen (Vergabeerlass), erlaubt in besonderen Ausnahmefällen auch das Verhandeln mit nur einem Unternehmen. Ein solcher besonderer Ausnahmefall kann beispielsweise vorliegen, wenn eine zuvor durchgeführte Öffentliche Ausschreibung oder Beschränkte Ausschreibung / Freihändige Vergabe mit oder ohne Interessenbekundungsverfahren kein annehmbares Ergebnis erzielt hat. Die Situation, keine oder nur überteuerte Angebote zu erhalten, lässt sich unter das Tatbestandsmerkmal „kein annehmbares Ergebnis“ definieren. Das Gebot der Streuung bleibt davon unberührt. Das heißt: Öffentliche Auftraggeber sollten darauf achten, nicht immer dieselben Kandidaten aufzufordern bzw. auch über die regionalen Grenzen hinauszugehen. Gegebenenfalls muss hier verstärkt Recherchearbeit getätigt werden. Zu betonen ist zudem, dass es sich um besondere Ausnahmefälle handelt und diese entsprechend ausführlich zu dokumentieren sind.

 

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